Kieselblog

Flusskiesels Tagebuch

2025-06-25 Mittwoch

Nacht

Mittelgute Nacht. Gegen ein Uhr nehme ich Ohrenstöpsel raus, gegen zwei Uhr quakt ein Typ laut über den Innenhof (mein Schlafzimmerfenster ist geöffnet).

Träume nicht erinnerlich.

Morgen

Ich stehe um halb fünf Uhr auf. Die Meditation klappt so mittelgut, weil mein Geist zu sehr in anderen Themen gefangen ist. Das macht aber nichts.

Beim Kraftfutter achte ich darauf, nicht zu viel Ahornsirup ins Essen zu kippen. Irgendwie scheint die Menge an flüssigem Zucker in der letzten Zeit mal wieder heimlich angestiegen zu sein. Auf die große Schüssel kommen ab jetzt zwei Esslöffel.

Gewicht

Ich schaffe es ganz gut, nicht auf die Gewichtskurve und auch nicht auf die Werte zu gucken. Die Gedanken beginnen wieder, ungut um das Thema zu kreisen. Mein Körpergefühl ist gut.

Mi A59

Über der A59 ist eine Brücke und auf dieser Brücke sind Sitzbänke. Auf einer davon sitze ich und schaue in die aufgehende Sonne. Neben mir das Finanzamt. Hinter mir der Hauptbahnhof.

Um es mit Frank Goosen zu sagen:
„Schön ist das nicht!“

Trotzdem hat dieser Moment eine Spur von Würde.

Die Sonne ist schon warm.

Gerichtskantine

Ich habe Zeit. Ich habe Zeit. Ich muss mich nicht hetzen.

Das ist mein Mantra für heute. Der Geist drängelt, der Geist drängt. Du hast einen wichtigen Termin! EINEN TERMIN VERSTEHST DU!!? VERSTEHST DU KLEINES FAULES KIND DAS DENN NICHT??!

Ganz so, als ob der aufregende Termin schneller vorbei wäre, wenn er denn auch schneller anfangen würde. Das stimmt aber nicht und zwar auf mehreren Ebenen:

  1. Der Termin ist nicht zwingend unangenehm. Gerichtsverhandlungen sind so gut wie nie vergnügungssteuerpflichtig, aber sie sind nicht automatisch bedrückend oder quälend. Ich nehme ja auch viel aus ihnen mit.
  2. Die Zeit, die mir bis zur Verhandlung bleibt, kann ich in der Gerichtskantine verbringen und dies ist ein Ort, wo die Zeit auf einer anderen Ebene verläuft. Hier vergeht die Zeit nicht, aus der Vergangenheit kommend, einfach so in die Zukunft – hier breitet sie sich flächig aus. Der Rechtsanwalt, der ruhpottig-bollerig telefoniert, während er für einen Kaffee ansteht, wirkt leicht unscharf. Eine ältere, langblonde Justzmitarbeiterin zeigt bejahend fleischige Oberarme. Der dicke Mann mit Glatze lächelt allen Frauen eine Spur zu freundlich freundlich zu.

Ein Monitor zeigt Werbung (sic!) für die Kantine, für Cola und Haribo. Die Extrakarte gibt sich betont ruhrig mit Currywurst und Fricko.

Auf den Tischen stehen Plastiktulpen und gläserne Kerzenständer. Die Kerzen darin haben nie gebrannt und werden es auch erst, wenn unsere Sonne ihr System verschlingt. Ihr Versuch, diesem Ort hier eine andere Note zu verleihen als die einer Gerichtskantine ist so nutzlos wie rührend. Alles hier atmet Gericht – da kann noch so oft „Monster“ und „Red Bull“ auf den Kühlschränken stehen. Die Welt duckt sich unter die Kassettendecke.

Dann ist es auch schon Zeit, zum Gerichtssaal zu gehen.

Verhandlung

Über die Verhandlung mag ich nichts schreiben. Ich war emotional noch nie so weit weg von einem Fall wie heute.

Gefängnisstrafe.

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