Kieselblog

Flusskiesels Tagebuch

2025-07-06 Sonntag

Die Nacht war unruhig. Die Ohrenstöpsel schützten mich vor dem Umts-Umts des nahen Schützenfests. Auch trommelte einmal zaghaft der Regen an das Dachfenster.

Die Träume waren intensiv und in sich verdreht. Sie sind so verklausuliert, dass nicht einmal tausend Traumdeuter hinter ihre Geheimnisse kommen könnten.

Ich stehe wieder um viertel nach sechs Uhr auf. Ein frischer Wind weht über die Felder. In den Senken und an den Hecken staut sich warme Luft. Der Himmel ist bedeckt. Wieder bin ich einer seltsamen Urlaubsstimmung, denn als ich über die Äcker laufe, verspüre ich den plötzlichen Wunsch, Frühstücksbrötchen zu kaufen.

Die Straße ist leer. Kein Auto, kein Fahrrad, kein Hund, kein Mensch. Alles liegt in Essig, denn der Samstag ist der große Abend auf dem Schützenfest. Nur ich stapfe durch das Landschaftsbild, denn mich ficht das Schützenfest nicht an.

Mittendrin fühle ich mich gehetzt, aber in dem Moment, in dem ich das bemerke, lasse ich den inneren Schweinehund von der Leine.

Diese Zeilen schreibe ich wieder am Radfahrertisch, froh über die Abstinenz, über den klaren Geist.

Während des Spaziergangs höre ich die „Lange Nacht“ über Dantes Göttliche Komödie. Aufgrund irgendeines physikalischen Gesetzes ist es dem menschlichen Gehirn nicht möglich, die korrekte Schreibweise von Dantes Nachnachmen aus dem Gedächtnis zu schreiben, weswegen man ihn immer nur bei seinem Vornamen nennt. Ich bin fasziniert von Künstler und Werk. Sein Einfluss auf die westliche Kultur (und über die Popkultur auch ein wenig auf die asiatische) ist gewaltig. Dantes Liebe zu Beatrice rührt mein Herz.

Wieder am Elternhaus pflücke ich frische Johannisbeeren für mein Müsli.


Nach dem Frühstück dringt von der Straße klingendes Spiel an die elterlichen und meine Ohren. Es ist der Spielmannszug, der auf einem von einem Traktor gezogenen Hänger durch das Dorf gefahren wird und alle weckt, denn es ist ja Schützenfest. Wir gehen zur Straße und begrüßen die alten Kameraden und die neuen Kameradinnen meines Vater. Früher war man als Spielmannszugkamerad zu dieser Zeit noch hochachtungsvoll, heuer gibt es Limonade, Cold und Frikadellen. Die Stimmung ist herzlich. Es ist schön und auch ein wenig niedlich, dass so alte Traditionen noch hochgehalten werden.


Meine Siebensachen sind schnell gepackt, ich bekomme noch Gurken und Zucchini aus dem Garten mit auf den Weg.


Der DB-Navigator behauptet, meine Verbindung zurück nach Duisburg sei unfahrbahr, dabei klappt alles bis auf eine kleine Verspätung wie am Schnürchen. In Bochum fegt der Wind den Bahnsteig, ein ganz leichter Sprühregen befeuchtet die Luft.