Kieselblog

Flusskiesels Tagebuch

2025-08-05 Dienstag

Mittelschlechte Nacht. Ich wache häufig auf und muss auf die Toilette. Als dann irgendwann über mir jemand rumpumpelt, stecke ich die Ohrenstöpsel rein und es geht besser.

Träume vom Verreisen, vom Heimkommen und von der Schule.

Obwohl ich Homeoffice habe, stehe ich diszipliniert um vier Uhr auf. Kraftfutter ohne besondere Vorkommnisse.

Das Herz ist schwer.


Mir ist bewusst, dass meine Meinung sehr, sehr unpopulär ist: Ich freue mich schon auf den Herbst. Möchte gerne, dass es kühler wird.

Das Draußen ist einigermaßen angenehm. Dunkler, feuchter als es der Sommer verlangt. Die Bäume im Stadtwald lassen die Flechten hängen. Alles ist so saftig. Die Traurigkeit in meinem Herzen wird von Melancholie umschmeichelt.

Im Homeoffice hänge ich noch ein wenig in den Seilen. Ziehe mir meinen neuen Hoodie an und freue mich. Jetzt sitze ich wie ein echter Hacker vor dem Computer und wenn ich mich ins Pentagon einhacken will, ziehe ich die Kapuze über den Kopf, damit mich niemand erkennt.


Bei Lieferando in Dortmund gibt es einen 72stündigen Warnstreik. Die Angestellten streiken für eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. Gut so!


Mittags röste ich Erdnüsse im Wok. Dann brate ich Reis an. Hinzug kommen Lauch und Spitzkohl sowie zwei Eier. Würzen tue ich alles mit der tollen Gewürzmischung, die A. mir zum Geburtstag geschenkt hat. Es schmeckt mir sehr gut und ich habe noch für die zwei nächsten Tage etwas zu essen.


Als ich so vor mich hinarbeite, fällt mich plötzlich die Angst an. Ich entscheide mich bewusst für Trotz als Gegenmaßnahme, weil ich da jetzt einfach keine Lust drauf habe (Wer hat schon Lust auf echte Angst?). Mit einem fast schon kleinkindlichen Trotz geht es irgendwie.

Den Mittwoch kann ich mir spontan frei nehmen für ein paar unblogbare Termine.


Ein neues Projekt ist in mein Leben getreten: Ich möchte jetzt den großen Haufen leere Mineralwasserflaschen in Kästen nach und nach zum Getränkemarkt bringen, denn bei Flaschenpost mag ich nicht mehr bestellen wegen Dr. Oetker. Mein Plan: Alle paar Tage mit der Sackkarre drei leere Kästen wegbringen und dafür einen neuen (vollen) Kasten Sprudel holen. Der kommt dann in den Keller zu den Vorräten. Es ist irgendwie schön, im Getränkemarkt an der Kasse für den Kauf eines Kastens Mineralwasser einen Euro irgendwas zu bekommen!

Später gehe ich in einem weiten Bogen in die Stadt. Es ist unglaublich schön: Die Sonne scheint und es ist um die zwanzig Grad warm. Die anderen Menschen sind auch alle auf den Beinen. Kinder lachen, Bälle prallen. Ganz kurz vermisse ich den Alkohol. Beim Anblick einer Limonadenwerbung („Paulaner Limo“) kommt der mir ein komischer Gedanke: Was, wenn ich bis zum Ende meines Lebens nie mehr Limonade trinken würde? Würde ich das vermissen? Würde es mir überhaupt auffallen? Jetzt fällt es mir noch auf, denn auch die Werbung fällt mir auf. Oder würde ich ganz gegen Ende meines Lebens dann doch noch Limonade trinken? Das ist ja nicht verboten! Wird sie mir dann schmecken? Oder ist die dann eklig süß und es gibt nur noch so komische Geschmacksrichtungen wie Senf-Maracuja-Alaska-Seelachs?

Auf was für Gedanken man so kommt, wenn man durch die Straßen läuft im Sommer!


„Fasten“ klingt irgendwie viel edler als „nichts essen“. Ein bisschen wie „Hungern“, aber von Manufactum. Wenn man fastet, ändert sich auch ein wenig die Einstellung, weil sich das wie eine Aktivität anhört (und anfühlt) und nicht wie etwas nicht zu tun. „Fasten“ ist ja auch religös aufgeladen und wird im allgemeinen mit einer Art inneren Reinigung gleichgesetzt. Bis auf die Autophagie der Zellen (das bedeutet, dass die Zellen einfach mal kaputtes Zeug aus ihren Ecken holen und verdauen) glaube ich aber nicht an eine Reinigung.

Allerdings faste ich auch nur in Teilzeit, denn morgen früh werde ich wieder eine große Schüssel Kraftfutter verdrücken und ich gebe offen zu, dass ich mich schon darauf freue. Momentan fühlt sich mein Körper so an, als würde er jede aufgenommene Nahrung in Nullkommanix verstoffwechseln und in Energie umsetzen.

Zum Abend hin gehen J., J. und ich ins Filmforum und schauen den Film „The Life of Chuck“. Ich bin sehr, sehr gerührt von dem Film. Er ist traurig und schön und manchmal zum Lachen. Mark Hamill habe ich nicht erkannt.

Ich bin groß. Ich enthalte Vielheiten.

4 Antworten

  1. Ich freue mich auch auf den Herbst. Sehr! *imaginärer Fistbump

    Und das mit Flaschenpost wusste ich gar nicht. Bei mir liefern sie (als einzige neben Rewe). Soll ich mich in die Meute stellen, die eine Sau durchs Dorft treibt?

    1. Markus Becker

      Ich empfinde mich da nicht als Teil einer Meute, sondern ich versuche halt (so gut es eben geht) auf Produkte von Oetker, Nestle usw. zu verzichten. Für mich passt es ganz gut, dass ich eh weniger Sprudel trinke und wenn doch, mir die Bewegung gut tut.

      Niemand muss oder soll. Wenn es für Dich gut mit Flaschenpost funktioniert, dann werfe ich weder den ersten noch irgendeinen anderen Stein. 🙂

      1. Ups, mein Kommentar klingt beim zweiten Lesen viel kritischer als er beim Schreiben gedacht war. Ich wollte eigentlich eher scherzend fragen, ob wir gemeinsam die Harken und Fackeln zücken sollen, weil warum nicht, ein gepflegtes Konzernbashing gehört doch ab und zu zu diesem Internet dazu.

        Dann überlege ich mir jetzt nochmal neu, ob ich weiterhin Getränke liefern lasse, weil, och ja, Bewegung täte mir auch ganz gut 😉

        1. Markus Becker

          Danke für die Klarstellung! 🙂
          Wie sieht es denn mit dem Rewe aus? Liefert der nicht auch Getränke?

          Es ist ja immer eine Entscheidung und die hängt von den konkreten Lebensbedingungen ab: Für mich ist es ok, alle paar Wochen mal mit der Sackkarre zum Getränkemarkt zu latschen – aber ich muss ja keinen Sprudel haben und ich brauche das ja nur für mich alleine.

          Momentan bin ich körperlich fit genug dafür usw. – deswegen fällt mir der Verzicht auch leicht.

          Was Konzernverzicht angeht, habe ich das noch nicht so verinnerlicht, aber ich schaue mal hier und dort, wo ich was weglassen kann.