Sehr unruhige Nacht, dem Anlass Reiseantritt angemessen. Mir träumt, ich bin bei einer Familie zu Gast und wir machen einen Ausflug an den Strand. Der neurodivergente Sohn kommt auch mit. Der Junge sieht mich nicht an und spricht auch nicht mit mir. Ich lasse ihn auch in Ruhe. Später, als es wieder zurück geht, bringt er als erstes seinen Roller zu Auto. Sein Gesicht ist streng und edel.
Ich stehe um vier Uhr auf. Das Kraftfutter (vielleicht das letzte für 12 Tage) ist heute besonders sättigend. Ich achte darauf, gut zu kauen und nicht zu schlingen, was mir auch gelingt. Relativ methodisch gehe ich meine Liste durch („Heizungen aus!“, „Fenster zu!“, „Müll runter!“ usw.). Dann mache ich mich auf den Weg. Der Duffle Bag ist sehr, sehr schwer. Ich bin noch immer davon beeindruckt, dass ich wirklich all meinen Kram dort hineinbekommen habe. Die letzten Schnallen gingen aber schon etwas schwer, muss ich zugeben.
Reiseproviant und die großen Kopfhörer transportiere ich in der Strandtasche, die wir seinerzeit auf Sylt gekauft haben. Erst kommt sie mir überdimensioniert vor, aber dann bin ich froh, doch noch Stauraum zu haben, falls der Duffle Bag im Laufe der Reise nicht mehr ausreichen sollte.
In der Straßenbahn sitzt eine dicke, schwarze Frau. Sie trägt einen Jogginganzug mit dem Aufdruck „Sporty Club“.
Die Fahrt im ICE 525 Sprinter nach Frankfurt ist recht kommod. Sehr hohe Laptopdichte in der ersten Klasse. Dummerweise ist mein MacBook im Duffle Bag und ich muss auf dem Alpha herumklimpern. Nach dem Umstieg in Frankfurt Hbf werde ich 8,5 Stunden (netto) bis Villach brauchen. Auf so einer Strecke kann viel schief gehen.
Die Sonne geht auf. Das sieht wunderschön aus. Nach einem vergeblichen Fotoversuch durch das Zugfenster gebe ich auf. Man kann einen Moment auch genießen, ohne ihn durch festhalten zu bannen.
Frankfurt Hbf. So ein Kopfbahnhof-Feeling bekommt sonst nur noch München hin. Die Bettlerin im Leopardenmuster wirkt frühzeitig gealtert. Die aufgehende Sonne flutet die Bahnhofshalle. Ich steige in den „Blauen Enzian“ ein. Der Eurocity der ÖBB versetzt mich wieder zurück in die 90er Jahre. Mein Tischbrettchen am Platz lässt sich nicht ausklappen, weil es festgeschraubt ist. Also wird es nichts mit dem Zwiebelschneiden während der langen Zugfahrt!
Die Frau, welche im „Blauen Enzian“ den Kaffee bringt, hat einen feinen österreichischen Akzent.
Mit Bildungsbürgern im 1.-Klasse-Abteil. Ihre Blicke, als ich meinen One-Piece-Band aus der Tasche hole und mit Klebezetteln versehe, sind unbezahlbar.
Die eine Frau fragt den Schaffner, ob der Zug WLAN hat. Der gute Mann verneint und weist darauf hin, dass der Zug 50 Jahre alt sei. Sie hat die selbe anklagende Art zu reden wie die eine Frau bei der Kommunalwahl, die ihren Wahlschein weggeworfen hatte. Manche Leute strahlen ständig so etwas Anklagendes aus. Ganz so, als ob alle anderen Menschen um sie herum sich rechtfertigen müsssten.
Ochsenfurt
wie gerne würde ich Dich lieben
Doch Deine Mauer
aus regionalem Natursandstein
bleibt hart.
Die Fahrt zieht sich. Man schweigt sich an. Aus einem Schlummer erwacht frage ich mich, was ich hier eigentlich mache. Einfach so durch die Gegend fahren – ist das erlaubt? Dann aber sehe ich die Berge und die Freude ist zurück.
Ankunft in Villach ca. 16:50 Uhr. Es hat dann alles gut geklappt. Nicht jede Fahrt mit dem Fernverkehr ist eine Katastrophe.
Das Hotel City Villach ist direkt gegenüber dem Hauptbahnhof. Relativ modern. Freundliche Rezeption. Man druckt mir netterweise mein ÖBB-Ticket für die Fahrt nach Slowenien morgen aus. Da steht da nämlich drauf, dass man das bei grenzüberschreitenden Fahrten machen soll.
Kleiner Rundgang durch die Altstadt. Sehr lauschig hier. Kaufe ein Ladekabel für die Kamera in einer Trafik. Ist so ein Multi-Ladekabel. Beim dm kaufe ich eine Flasche Wasser, trinke sie auf einer Parkbank. Viel zu wenig getrunken heute. Leichte Kopfschmerzen.
Einladende Brauereigaststätte, kurz darauf ein Irish Pub. Wenn ich noch in Amt und Würden wäre – ich wüsste schon, was ich jetzt täte! Aber unter Alkohol würde ich eine solche Fahrt überhaupt nicht schaffen.
Die Läden hier machen alle um 18 Uhr dicht. Kaufe kurz vor Toresschluss noch drei Postkarten in einem Buchladen. Briefmarken bekomme ich keine mehr, werde die Karten dann wohl von Slowenien aus schicken.
Bin nicht recht bei mir. Weil ich so erschöpft bin, gehe ich ins Hotel zurück.
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