Eher unruhige Nacht ohne Ohrenstöpsel. Die Stöpsel sind nicht notwendig, denn das Haus ist recht leise.
Die Erschöpfung fordert ihren Tribut und ich dämmere schnell weg. Mittelschwere Kopfschmerzen unbekannter Herkunft. Vielleicht Dehydrierung?
Mir träumt, die Kreuzung im Dorf wird abgerissen und von ein paar alten Autonomen besetzt. Ich nehme meine Kamera und sehe nach. Inzwischen wurde von Anwohnern eine kleine Fußgängerbrücke improvisiert. Ich klettere über sie hinweg und denke mir im Geiste den Pitch für einen Film aus, in dem diese Kreuzung von der Polizei geräumt wird. Der Film wird episodenhaft sein und die Räumung aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Einmal aus dem des kommisshaften Einsatzleiters, später aus den Augen einer jungen Bereitschaftspolizistin. Auf der anderen Seite wird es einen älteren Demonstrationsveteranen aus der Friedensbewegung geben und einen gewaltgeilen Jugendlichen, welche die Politik für die Befriedigung seiner inneren Aggressionen benutzt.
Später bin ich dann auf dem Innenhof. Seitdem eine Roma-Familie im Haus eingezogen ist, ist hier immer was los. Kinder spielen, Liebespaare turteln, Männer unterhalten sich. Im Keller versammeln sich Leute mit schwarzen, goldbestickten Roben. Sie spielen Billard und Darts. Es gibt aber auch bizarre Wesen, die unverständliche Dinge tun. Lars holt mich ab zum Sport, doch ich habe vergessen, meinen Turnbeutel zu packen. Besonders die Turnschuhe werden mir fehlen, da wir Fußball spielen wollen. Es wird befürchtet, dass ich ohne Turnschuhe „falsch laufe“. Ich wünsche mir einen Spind.
Update des iPad Mini auf iPad OS 26 gestaltet sich schwierig. Irgendwie wurde die SIM-Karte deaktiviert. Ich schalte auf eine eSIM um (kostet 9 Euro) und dann geht es wieder. Update läuft.
Durch macOS 26 hat sich die Spotlight-Suche stark verbessert. Ich denke, man hat sich da von Alfred inspirieren lassen. Ich deaktiviere Alfred testweise, um mal mit Spotlight zu arbeiten. Gut ist, dass man jetzt per Tastenkürzel die Suche auf Apps beschränken kann. Über Kurzbefehle kann man auch in der „normalen“ Suche filtern. Gefällt mir schon mal gut.
Ich sitze noch im Hotelzimmer und verliere mich ein wenig ins Konfigurieren und Einrichten und Ausprobieren an den Geräten. Es fällt mir schwer, mir das zu erlauben, obwohl ich doch noch mindestens eine oder zwei Stunden Zeit hier bleiben werde.
Menschenbeobachtung: Ein älterer, leicht ungepflegter Herr setzt sich auf die Bank. Er hat einen Rucksack und zwei Thermo-Einkaufstüten dabei. Aus dem Rucksack holt er einen Glaskelch, aus einer der Tüten eine Dose Bier. Er gießt das Bier in den Kelch, schüttelt die leere Dose aus und packt sie wieder in eine der Tüten. Er trinkt in großen Schlucken. Zwischen dem Trinken liest er Zeitung. Er ist fahrig, scheint nervös. Die erste Dose ist schnell geleert, die zweite ebenfalls. Der Biergeruch steigt mir in die Nase, lässt die Nüstern der Bestie in ihrem Käfig zittern. Der Mann ringt seine Hände.
Auf einem Werbe-Display werden in Dauerschleife kleine Filmchen gezeigt: Ein Männlein läuft über Bahnschienen, wird vom Zug erfasst und durch die Luft geschleudert. Dazu der Schriftzug: „Riskiert – halbiert“. Dann ein Männlein, welches auf ein Geländer klettert. Von der Oberleitung kommt der Lichtbogen, man sieht das Skelett des Männleins: „Riskiert – Flambiert!“. Als nächstes läuft das Männlein mit Kopfhörern am Bahnsteig innerhalb der gelben Markierung. Es wird wieder vom Zug erfasst und durch die Luft geschleudert: „Ignoriert – skalpiert!“. Eine solche Werbung wäre in Deutschland undenkbar.
Menschenbeobachtung. Eine Person mit kleinem Hund kommt mir entgegen. Sie wirkt wie Hermes Phettberg selig, aber als Frau. Sie brüllt mich an: „FRAGE!!“, dann irgendwas mit Führerschein. Ich zucke mit den Achseln und gehe weiter.
Im Zug nach Jesenice ein älteres Ehepaar auf dem Weg nach Rijka. Wir unterhalten uns ein wenig, dann wird der Zug voll. Allerdings fahre ich nur ungefähr eine halbe Stunde, bis ich in Jesenice aussteigen muss. Dort treffe ich auf drei sehr junge Schwedinnen (eine davon berauschend schön mit rot gefärbten Haaren), die auch nach Nova Gorica wollen. Nirgendwo ist dokumentiert, von welchem Gleis aus der Zug abfährt. Alles hier ist von balkanischer Langsamkeit. Die Mädchen sind ein wenig schüchtern. Ein älterer Herr spricht sie an und fragt sie, ob sie Hilfe brauchen. Wo der Zug nach Nova Gorica abfährt, weiß er auch nicht, aber er weiß, dass die drei aus Schweden kommen, weil sie so aussehen. Alle drei Mädchenmünder lächeln, ihre Augen lächeln nicht. Die Fahrkartenschalter sind verwaist. Irgendwann latschen die drei einfach über einen Bohlenweg über die Gleise und fragen die Bahnsteigaufsicht. Als sie bescheid wissen, winken sie mir den Weg. Am Gleis steht ein vollgesprayter Regionalzug. Ich frage eine aussteigende Uniformierte, ob dies der Zug nach Nova Gorica sei. Sie beantwortet gelangweilt meine Frage mit „Yes“, was mehr wie ein „Yeaaaaaah“ klingt. Für den Mund der Bahnbediensteten wurde das Kaugummi erfunden. Immerhin können wir nun im Zug auf die Abfahrt warten. Es dauert noch gut eine halbe Stunde.
Dieser Teil Sloweniens ist wie Österreich, nur das die Einwohner nicht so grantelig sind. Als wir an Bled vorbeikommen, bekomme ich Lust, auch diesen Ort mal zu besuchen. Ich bekomme auch Hunger auf Cremeschnitten.
Gewaltige, massige Felsen über einem schnellen, klaren Fluss. Weiße Steine. Das Land strahlt eine große Reinheit aus. Die Eidechse am Bahnsteig huscht mir zum Vergnügen. Wie alle Momente wird auch dieser verfliegen. Ich bin es so gewohnt, dass immer alles an meiner Seele zerrt und reißt. Der Schmerz des Reißens, diese ständige Überforderung mit der Welt sind so sehr Teil von mir, dass ich ganz verängstigt bin, wenn es mal ausbleibt, wenn ich einfach mal bin, wo ich bin. Im Moment bleibt nichts zu tun außer aus dem Fenster zu schauen und das Glitzern des Wassers zu bestaunen.
Ein Strand aus weißen Steinen. Ein Mann steht einsam am Wasser. Der Sommer hat seinen Körper gebräunt. Sonst ist nichts da außer dem Wald, den Bergen, dem Fluss und dem tutenden Zug mit mir darin.
Wo ich herkomme, ist das Land ja eher flach und regungslos. Meist liegt es einfach nur da. Hier ist es so majestätisch, dass es mir vollkommen surreal vorkommt. Würde ich jetzt vor dem Fernsehr aufwachen, in dem eine Folge „Eisenbahnromantik“ läuft, in der ein Zug durch die Alpen fährt, ich würde mich nicht wundern.
Es sind viele junge Menschen unterwegs. Sie tragen große Reise- und Wanderrucksäcke. Man sagt den Slowenen ja nach, dass sie gerne in den Bergen wandern. Oder sind das junge Deutsche, Engländerinnen, Portugiesinnen, Amerikanierinnen auf großer Balkan-Tour? Aber würden diese in Bohinjska Bistrica aussteigen? Was wollen die dort außer Wandern?
Menschenbeobachtung: Ein alter Mann steigt ein. Offensichtlich musste er rennen, um den Zug noch zu kriegen. Er trägt einen Rucksack und einen Hut, an dem Federn und Trockenblumen stecken. Um seinen Hals hat er eine hölzerne Kette nach indigener Art geschlungen. Grauer Rauschebart. Naturbursche. Alm-Öhi. Er zieht die Schuhe aus und legt die Füße hoch. Dann schlummert er weg. Es düftelt herb im Waggon.
Ankunft in Nova Gorica. Ich versuche, den alten Hippie aufzuwecken, aber er reagiert nicht. Vielleicht ist er ja gestorben. Ich steige aus. Vor dem Bahnhof ist der Europaplatz. Dort gehe ich mal eben nach Italien rüber. Das erste Mal in meinem Leben in Bella Italia. Für die drei Minuten, die ich dort bin, gefällt es mir gut. Allerdings muss ich dann auch schon weiter, denn ich möchte zum Hotel.
Hotel Madonca. Ein Restaurant mit großer Wein-Auswahl. Der Oberkellner (erst später stellt sich heraus, dass er hier der Chef ist), ein sympathischer junger Mann, nimmt sich viel Zeit für mich. Er erklärt mir die Gegend. Ich buche ein einfaches („functional“) Frühstück (8 Euro) für den nächsten Morgen. Er meint, wenn es mir gefällt, kann ich ja auch für die nächsten Morgen bei ihm buchen. Nicht sehr geschäftstüchtig, aber ehrlich.
Ich drehe eine Runde durch Nova Gorica. Irgendwie erwartet man hier ständig, dass Meer rauschen zu hören, weil alles so mediterran ist. Dieser Teil von Slowenien wirkt wie Italien, nur eben mit Slawen als Bewohnern.
Sozialistische Beton-Architektur. Nova Gorica war ja eine jugoslawische Musterstadt. Hohe Mietshäuser, unten im Erdgeschoss und davor kleine Läden, Bars, auch eine Zweigstelle der Stadtbibliothek ist hier zu finden. Viel Grün. Alles gut in Schuss. Ich kenne diese Art Architektur auch aus Teilen von Duisburg, aber dort ist alles dreckig, hässlich und kaputt. Hier bekomme ich das Gefühl, wie so eine Architektur einmal gedacht gewesen sein mag. Man wollte etwas für die Menschen tun. Die Straßen sind meist sehr breit und natürlich für Autos gedacht, aber es ist auch ordentlich Platz für Fahrräder und Elektroroller.
Ich versuche mich an der Architekturfotographie, aber ich verfluche nur meine Talentlosigkeit beim Fotografieren.
Bei der Post kaufe ich 20 Briefmarken für die Postkarten. Die Frau hinter dem Schalter macht große Augen deswegen, aber ich will ja fleißig Karten schreiben. Als ich schon fast draußen bin, kehre ich um und kaufe auch schon mal 5 Postkarten von Nova Gorica. Sie findet das wohl lustig. Sie ist sehr freundlich. Viele Frauen lächeln mich an. Das freut mich.
Menschen sitzen draußen vor den Bars und Imbissen. Es riecht nach Gebratenem. Man isst hier gerne Döner und natürlich Burek. Ich freue mich schon auf Burek, diese fettigen, salzigen Schnecken.
Zurück im Hotel setze ich mich auf die Terrasse. Ich könnte jetzt auch in Spanien oder so sein.
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