Unruhige Nacht unter starker Erschöpfung. Mir träumt wirr, dass ich eine junge Möhrenpflanze mit mir herumtrage und sie beschützen soll.
Heute frühstücke ich in der „Bar Baza“ neben dem Hotel. Es handelt es sich um einen Bungalow (davon gibt es hier viele) mit einem großen Biergarten. Eine junge Frau bedient hier, bzw. raucht. Rockmusik aus Lautsprechern. Die Musik gefällt mir. Nicht schlecht für acht Uhr morgens! Wäre ich noch in Amt und Würden, ich würde hier abends ein paar Biere zischen.
Ich marschiere zum Kloster rauf. Es hat heute nicht geöffnet, was ich ein bisschen schade finde. Nicht, wegen des letzten französischen Königs, der hier begraben liegt, sondern wegen der alten Franziskaner-Bibliothek. Hier treffe ich auf ein älteres österreichisches Ehepaar. Sie haben einen kleinen Abstecher nach Gorizia gemacht. Wir unterhalten uns kurz über die Geschichte. Dann gehe ich weiter. Ich möchte über den Klosterberg laufen, da es hier auch noch zwei Ruinen gibt. Die Ruinen stellen sich als ehemalige Villen heraus, die in einem lauschigen Park eingebettet sind. Der Park wurde von der EU anlässlich des Kulturhauptstadtjahres aufwändig renoviert. Park und Villen wurden im ersten Weltkrieg zerstört. Viele der exotischen Pflanzen haben aber überlebt. Der Architekt hat die Ruinen der Villa Palm malerisch stehen gelassen. Sie wirken wie eine archäologische Ausgrabung. Die eigentliche Villa ist verfallen, wurde im zweiten Weltkrieg schwer getroffen.
Der Park ist sauber und modern. Es gibt eine Trinkwasserzapfstelle, ein Dixi-Klo, Schatten, Ruhe und Bambus. Überall wächst Bambus!
Ich lasse mir Zeit, schlendere herum. Ab und zu mache ich ein Foto. Versuche, zu mir selber zu kommen. Auf Reisen bin ich ja sehr stark außer mir, weil um mich herum so viel passiert.
Wieder ein starkes Gefühl der Unwirklichkeit.
Eigentlich ist das Hotel ja eher ein Restaurant mit Fremdenzimmern. Hier esse ich zu Mittag ein sehr, sehr leckeres 3-Gänge-Menü. Es besteht aus einer Suppe, welche die Kellnerin auf vor mir aus einer Teekanne über Scampi und einem Gebäckstück gießt. Das ist lustig. Geschmacklich finde ich die Suppe aber ein wenig fad.
Danach gibt es Wolfsbarsch mit irgendwas in Blätterteig, dazu etwas Gemüse auf Süßkartoffelpüree. Daneben liegen ein paar Fischeier und dann noch so eine kleine, weiße Kugel. Die Kugel schmeckt sehr sauer und etwas süß. Ein bisschen wie ein ziemlich heftiges Zitroneneis.
Die Krönung ist ein Dessert. Es besteht aus einer Rose (das Symbol von Nova Gorica). Sie ist aus Pannacotta geformt, gefüllt mit Weinbeeren und ruht auf einer dünnen Schokoladenplatte. Köstlich!
Überall wachsen hier Pfirsiche. Ich traue mich aber nicht, einen davon zu pflücken.
Wanderung zur Salcanobrücke, der größten gemauerten Eisenbahnbrücke der Welt. Erst überquere ich den Isonzo über eine Fußgängerbrücke und laufe einen Fahrradweg entlang durch die Karstlandschaft. Bäume spenden zu Glück Schatten, denn es ist sehr heiß. Ich trage meinen schwarzen Safari-Hut und trinke viel Wasser.
Der Gang rauf zur Autobrücke über den Isonzo ist sehr steil. Es gibt eine improvisierte Treppe, die als Pilgerweg markiert ist – zumindest interpretiere ich so die Zeichen hier. Festhalten kann man sich nur an einem Drahtseil. Teilweise klettere ich auf allen Vieren und bin sehr froh über meine Wanderschuhe von Bär. Der Weg über die Brücke ist dann überraschend schwierig, weil meine Höhenangst plötzlich kickt. Es aber auch wirklich sehr hoch! Ich beiße die Zähne zusammen und schaue auf die Fahrbahnmitte.
Auf der anderen Seite (wieder der von Nova Gorica) laufe ich dann den Isonzo entlang. Der Weg ist sehr schwierig durch das Karstgestein. Gleichzeitig ist die Landschaft herrlich mit den schroffen Steinen, den krüppeligen Bäumen, den Bergen und dem teilweise wilden Fluss.
Einmal begegne ich einem jungen, dunkelhäutigen Mann. Er bittet mich höflich, ein Foto von sich zu machen. Das mache ich natürlich. Auf ihn muss ich wie ein verrückter alter Wissenschaftler wirken, der mit Safarihut durch die Wildnis stolpert und begeistert Steine fotografiert.
Ich bin sehr vorsichtig und achtsam bei Laufen, denn es geht hier über Stock und Stein. Die Achtsamkeit tut mir gut. Ich bin überrascht, wie viel Kraft und Ausdauer ich doch habe.
Die Brücke selber ist schon beeindruckend, als ich unter ihr stehe. Der Weg hat sich gelohnt, aber das hätte er sich auch schon für die Natur. Das kann ich beim Überarbeiten des Romans benutzen, denn ein Teil davon spielt ja auch in einer Karstlandschaft.
Den Weg zurück laufe ich die Straßen entlang. Bin recht erschöpft und mache eine Pause vor dem Friedhof von Solkan aus. Unterwegs fotografiere ich mehrere Ehrenmähler, eines für die Menschen, die für die Unabhängigkeit 1990/1991 gekämpft haben.
Abends sitze ich noch ein wenig auf der Terrasse und überarbeite die Fotos des Tages. Eine Auswahl davon kommt jeden Tag in die Signal-Story für die Lieben daheim.
Gehe sehr früh ins Bett.