Kieselblog

Flusskiesels Tagebuch

2025-08-07 Donnerstag

Ich denke über Kommunikation nach. Immer wieder werde ich auf meinen Gewichtsverlust angesprochen. Die Leute fragen mich dann, wie ich das nur „geschafft habe“. Wenn ich das versuche zu erklären, bekommen die Leute meist einen leeren Blick. Mir wurde irgendwann klar, dass die Leute eigentlich überhaupt nicht wissen wollen, wie ich meine Ernährung umgestellt habe, sondern sie hoffen auf einen einfachen Trick („Nach 18 Uhr keine Kohlenhydrate“, „Jeden Tag einen Apfel aus dem Fenster werfen“ oder „Keto-Diät“). Jetzt beantworte ich solche Fragen immer mit „Intervall-Fasten!“. Die Leute sagen dann immer „Das könnte ich nicht!“ und erzählen davon, wie lecker Kuchen und Chips doch seien. Ich nicke dann und fühle mich meist nicht gut, weil ich nicht weiß, wie ich mich dazu verhalten soll.

Dann fällt mir auf, dass solche Fragen von den Leuten vielleicht gar keine wirkliche, ernst gemeinte Kommunikation sind, sondern eher Geplapper. Ich glaube, dass wir Menschen plappern wie Affen sich lausen: Es handelt sich um ein soziales Ritual. Eigentlich ist es dabei zweitrangig, um welches Thema es geht – hauptsache, wir teilen mit, wie wir uns fühlen und unser Gegenüber tut das auch (wobei komplett egal ist, was das Gegenüber sagt oder fühlt).

Das Problem an der Sache ist, dass ich Geplapper nicht kann. Ich denke immer, es würde richtig gesprochen werden, es gäbe immer einen richtigen Austausch. Auch wenn ich rational verstehe, wie wichtig die soziale Fellpflege ist, bin ich dazu nicht wirklich fähig. Entweder gehe ich dann in ein richtiges Gespräch (bzw. versuche ich es), oder ich stehe stumm da und lächle, denn ich weiß ja nicht, wie ich plappermäßig korrekt reagieren soll.

Ob ich das irgendwie lernen und üben kann?


Mittelgute Nacht mit Ohrenstöpseln.

Mir träumt, ich bin in der Fremde auf einem Fest. Überall Buden und Stände. An einem Stand wird bayerisches helles Bier ausgeschenkt. Obwohl ich weiß, dass ich abstinent bleiben muss, will ich unbedingt einen Krug davon trinken. „Nur einen Krug! Nur einen einzigen Krug!“ sagt die innere Stimme und die noch innerere Stimme flüstert „Dann noch mehr! Noch viel, viel mehr!“

Ich bestelle dann doch ein alkoholfreies Bier. Ich bin stolz und auch ein wenig enttäuscht.


Ich wache um halb vier Uhr auf und schlafe dann noch mal ein. Mein innerer Wecker hat sich auf vier Uhr eingestellt und lässt mich nun immer früher aufwachen. Gleichzeitig will ich meinen Tag nicht noch weiter nach vorne wandern lassen.


Zum Frühstück Kraftfutter mit TK-Sauerkirschen und einem kleinen Apfel. Der letzte selbstgemachte Joghurt ist auch dabei. Heute oder morgen will ich die nächste Ladung ansetzen.

Das Draußen ist dunkel und kühl. Ich marschiere sehr stramm zum Hauptbahnhof, wo ich den RE 19 um 5 Uhr 16 erwischen will. Ein junger Mann kommt angerannt, eine junge Frau läuft ihm hinterer. Sie hält ihn am Arm zurück und redet auf ihn ein. Ich verstehe nicht, was sie sagt.


Die Nacht zieht sich zurück und gibt die letzten Verrückten frei, die im Licht des anbrechenden Tages glitzern. Im und um den Hauptbahnhof in Düsseldorf herum sprechen mich insgesamt drei Verrückte an. Sie sind übrig geblieben von der Nacht. Alle betteln, allen wollen etwas. Immer wollen alle etwas: Meine Aufmerksamkeit, mein Mitleid, meine Seele, meine Stimme, meinen Glauben und am allermeisten wollen alle mein Geld. Je lauter und drängender die Welt wird (die Verrückten laufen auch hinter einem her, wenn man nicht auf sie reagiert), desto stiller werde ich.


Mittagspause. Im Kopf und im Herzen bewegt mich noch immer der Film „The Life of Chuck“. Ich denke darüber nach, mir den Film auf DVD zu kaufen (wenn es ihn überhaupt so gibt) und auch ein Poster mit einem Zitat aus einem Vers, der in dem Film eine wichtige Rolle spielt.

Im Florapark bekomme ich ein schattiges Plätzchen und höre Vagueness Of Faith. Das Herz ist schwer und leicht zugleich. Ich stehe da wie jemand, der zum ersten Mal in seinem Leben den Sternenhimmel sieht.

Zwei Graureiher kommen angeflogen und streiten sich um einen Platz am Ufer. Oder necken sie sich bloß aus Liebe?

Ein Schild mit einer Ente und einer Gans darauf. Rechts oben auf dem Schild ist noch eine menschliche Hand zu sehen. Schwarze Punkte fallen daraus herab. Über den schwarzen Punkte zwei große, gekreuzte rote Balken. Hoffentlich verschlucken sich die Vögel nicht an diesen Balken!


Ich bestelle mir das Buch „Grashalme“ von Walt Whitman.