Ganz ordentliche Nacht.
Mir träumt, ich schaue den Trailer für einen Horrorfilm. Darin lebt eine junge Frau mit einem Vampir zusammen. Der Vampir ist uralt, grau und faltig. Dazu hat er noch zwei riesige Hasenohren. Die beiden haben eine Beziehung und ständig liegt die Gefahr in der Luft, dass der Vampir seiner Geliebten die Kehle aufreißt. Später stellt sich heraus, dass sie zusammen mit anderen Vampiren in einer vor den Menschen versteckten Siedlung wohnen. Die Vampire drohen auszusterben, denn es gibt keine Vollvampire mehr, welche Menschen mit Vampirismus infizieren können. Hier leben nur Halbvampire. Wir ahnen, dass der Plan der Vampire ist, die junge Frau zur Vollvampirin zu machen. Dass sie damit ihre uneingeschränkte Herrscherin wird, ahnen sie nicht.
Ich stehe um halb sieben Uhr auf. Hatte vergessen den Wecker zu stellen. Macht ja nichts. Meditation klappt mittelgut. Bin gerade wieder mehr bei mir. Die Traurigkeit ist da. Ich denke, sie ist einfach ein Teil von mir. Ich kann mit ihr leben, habe sie nur so lange immer weggeschoben, dass ich sie kaum wieder erkenne.
Der Frühstückssaal ist voller meist alter Menschen. Es ist sehr laut. Sehr unangenehm. Immerhin gibt es eine Nuss-Müsli-Mischung, Mandeln, Kürbiskerne und Leinsamen. Letzterer ist neu für mich und den werde ich mal bei der nächsten Koro-Bestellung ordern. Ich esse eine Schale Müsli und dann noch einen Teller mit Rührei und Toast (die Toastscheiben wurden mit einem Fließband-Toaster getoastet). Letzteres war zu viel. Ab morgen werde ich nur Müsli und Obst zum Frühstück essen. Es gibt auch Filterkaffee und Kaffee Creme. Ich kann beides aber nicht genießen, weil es so unangenehm laut ist.
Menschenbeobachtung: Eine asiatische, mutmaßlich chinesische, Familie am Nebentisch. Vater, Mutter, zwei pubertierende Söhne. Die Mutter hektisch bemüht, der Vater ein Patriarch, wenn man ihn bei Wish bestellt. Die Söhne lustlos, wobei der eine immerhin mitspielt, der andere hingegen seine Familienangehörigen kunstvoll ignoriert. Der kooperative Sohn bekommt die Zimmerkarte und will nach oben, der andere soll mitkommen. Allerdings bleibt er einfach sitzen und schaut in sein Smartphone. Der Vater zeigt demonstrativ nach oben, erzielt aber keinerlei Wirkung damit. Später wird er noch aufstehen und seinen Sohn mit dem Finger antippen. Die Pubertät schlägt heute die „Tiger-Erziehung“.
Diese Fernbedienungen für Klimaanlagen in Hotelzimmern erinnern mich immer an diese funktionslosen Spielzeugsmartphones für kleine Kinder.
Menschenbeobachtung: Ich sitze an der Ljubljanica. Ein junger Mann kommt mit einem Strauß Rosen vorbei und bietet mir eine davon an. Ich lehne ab und er trollt sich. Sieht enttäuscht aus.
Wetter: Morgens sieht es noch regnerisch aus, später klart es auf. Es wird wieder wärmer.
Besuch im slowenischen Nationalmuseum. Ich bin ein wenig enttäuscht von der Ausstellung, denn es gibt so gut wie keine Kontextualisierung. Nur am Eingang zu jedem der thematischen Säle gibt es eine Texttafel, welche grob das Thema erklärt. Ab und zu gibt es noch ein paar zusätzliche Texttafeln zwischendurch. In den Sälen für die Aufbewahrungsmöbel und Stühle sind die Ausstellungsstücke einfach chronologisch sortiert an der Wand aufgereiht. Natürlich gibt es Beschilderungen, aber die erklären nichts und ordnen auch nichts ein. Einzig im Bereich der Metallverarbeitung und der Waffen gibt es ein wenig mehr: Texttafeln, welche die einzelnen Metalle und ihre Rolle in der Geschichte erläutern, etwas über die Produktion von Nägeln und in der Waffen-Ecke ein Video, wo man u.a. Leuten beim Praktizieren von HEMA (Historical European Martial Arts) zusehen kann. So bekommt man wenigstens eine Vorstellung davon, wie die Dinger in den Vitrinen ungefähr benutzt werden. Dann gibt es noch einen kurzen Film mit Schlachtszenen in einfacher Computergrafik über die Entwicklung der Kriegführung seit dem frühen Mittelter (schwere Reiterei, Fernwaffen, Infanterie) in Europa. Das scheint mir recht informativ, jedoch sind die Darstellungen der Schlachten selber komplett sinnfrei, weil man in ihnen überhaupt nichts erkennen kann. Ich bin der einzige Besucher des Museums. Ich vermute, die leben eher von Schulklassen, die eine Führung bekommen. Nach ungefähr einer Stunde bin ich wieder raus.
Ich habe keine Lust, mir groß etwas für das Mittagessen zu suchen und hole mir einen Hähnchendöner an der Dönerbude gegenüber dem Hotel. Guter Durchschnitt. Danach esse ich noch leicht fresswahnig den Rest Studentenfutter und drei Café-Keks auf. Bin auch sehr müde und erschöpft. Mittagsruhe.
Kommst Du nach Slowenien, bring eine wiederbefüllbare Wasserflasche mit! Überall gibt es Zapfstellen für Trinkwasser und öffentliche Toiletten.
Spaziergang zur Burg und zum Gruber-Kanal, dann die Ljubljancia entlang. Von weit her peitschen Schüsse und der Klang einer Klarinette düdelt.
Wo der Gruber-Kanal und die Ljubljanica zusammentreffen gibt es eine Nutria-Futterstelle und den Špica-Park. Sehr schöner Ort für den Sommer.
Mein Hotelzimmer liegt im 7. Stock und ich nehme immer die Treppe. Sind deswegen meine Oberschenkel so müde?
Bin getrieben vom Nicht-Getrieben-Sein und drehe noch mal eine Runde. Mein Weg führt mich zum Tivoli-Park, der größten Parkanlage Ljubljanas. Es ist wie immer sehr schön hier. Mein Auge ertrinkt in dieser Stadt in Schönheit. Ljubljana beginnt, für mich langsam Wien als die schönste Stadt der Welt abzulösen. Ljubljana ist nämlich Wien ohne dessen schraddelige Großkotzigkeit. Stattdessen sieht man hier und dort noch die Rest sozialistischen Brösels. Die Frauen sind sehr schön. Das Slowenisch (welches ich noch immer nicht verstehe) klingt manchmal ein bisschen wie österreichisch, häufiger aber eher italienisch. Das macht diese slawische Sprache sehr schön.
So langsam packt mich wieder der Ehrgeiz, mehr Schritte zu machen – auch wenn mir die Oberschenkel und die Füße weh tun. Ich möchte mich wieder müde laufen, möchte das Gefühl haben, erschöpft ins Bett fallen zu dürfen. Ganz ohne meine Zwänge komme ich dann wohl doch nicht aus.
Vor dem alten Schloss wacht der alte Radetzky und ermahnt die Soldaten auf deutsch zum Mut. Er verspricht einen kurzen Kampf. Daneben sitzt man weißbekiest und trinkt kieseligen Weißwein. Manchmal passen die Gegensätze auch zusammen.
Auf dem Rückweg finde ich noch sehr süße Ljubljana-Postkarten mit dem Drachen drauf. Netterweise verkauft man mir in der Buchhandlung dazu auch die passenden Briefmarken.
Im Hotelzimmer bearbeite ich noch die Fotos des Tages und füttere meine Signal-Story.
Bilanz der Schritte: 25.285 Schritte, davon 48 Stockwerke.
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