Sehr ordentliche Nacht für eine im Hotel. Die Ohrenstöpsel bleiben bis ca. fünf Uhr in den Ohren.
Ich stehe ausgeruht gegen sechs Uhr auf.
Das Frühstück im Hotel Madeleine macht mir wieder Freude. Es gefällt mir, hier in Saarbrücken meine kleine „Home-Base“ zu haben, wo ich mich auskenne und wo man mich (ein wenig) kennt.
Der junge Mann mit seinem iPad im Zug geht mir nicht aus dem Kopf. Die Vorstellung, statt eines Laptops, eines E-Book-Readers und eines Alphas einfach ein Gerät in der Tasche zu haben, ist sehr verlockend. Allerdings will ich nicht alles umschmeißen und was sollte ich mit den Altgeräten machen? Wie gut funktioniert das mit dieser Tastatur-Hülle (Magic Keyboard ) unterwegs? Kann man damit auch mal auf einer Parkbank sitzen und tippen?
Ich beschließe, das Thema erst einmal lustvoll ruhen zu lassen, bis ich den Roman veröffentlicht habe. So lange brauche ich auf jeden Fall mein MacBook. Wer weiß, was sich bis dahin alles entwickelt und der Zerowrite Ink kommt ja auch vielleicht irgendwann.
Die Firma Zweisser hat mir geschrieben. Ich bekomme einen neuen Druckknopf für meine Ledertasche zugeschickt. Darüber freue ich mich.
Nach dem Frühstück arbeite ich noch ein wenig weiter am Roman. Ein Kapitelchen ist in der letzten Überarbeitungsphase. Es fühlt sich schon seltsam an, wenn ich mehr oder weniger das letzte Mal Hand an einen Text lege. Dabei verändere ich durchaus noch eine Menge dabei und das macht mich unsicher: Baue ich damit nicht noch weitere Fehler ein? Sollte ich die Lektorin vielleicht noch einmal über den Text schauen lassen? Oder korrigiere ich mich damit nachher noch zu Tode?
Vielleicht muss ich aber auch lernen, den Text irgendwann loszulassen. Ein Meisterwerk wird mein Roman nicht werden, da mache ich mir keine Illusionen.
Zur Belohnung für die Arbeit gibt es einen Espresso aus der Bialetti Elettrika.
Der Fußweg nach Dudweiler führt mich wieder diese breite Landstraße entlang. Es regnet zum Glück nicht, aber es nieselig nass. Irgendwie mag ich die Stimmung gerade, obwohl sie so grau und trüb ist. Vielleicht liegt es daran, dass sich hier nichts aufdrängt. Alles ist bescheiden, ein wenig schmutzig und halb verrottet.
Da Jonas noch seine Wohnung putzen will, trinke ich im Eiscafé Angelo Kaffee und schreibe Postkarten an J., C. und A.
Ich finde es interessant, die anderen Gäste zu beobachten: Ein Mann mittleren Alters (als jünger als ich), der einen Glaskaffee trinkt und belegte Brötchen ist. Ein alter Mann, der sehr aufmerksam dieses seltsame Eidechse bestaunt, die hier in Dudweiler aufgetaucht ist und auf so einem komischen Gerät herumtippt. Ein dicker Mann, der so aussieht, wie der missglückte Bruder von John Cleese. Er spricht komplett unverständlich spricht (eine Mischung aus dem örtlichen Dialekt und einem Sprachfehler) und trinkt Cola.
Später kommt ein älteres Pärchen rein und murmelt leise. Eine alte Dame sitzt daneben und redet laut mit der Eiscafé-Baristienne. Es wird breit Dialekt gesprochen und ich mag das.
Der Thronfolger und ich haben einen schönen Tag zusammen. Ich schraube erst den Griff für die Besteckschublade, dann den für den Kühlschrank neu an. Dazu müssen wir runter zum Dudo-Center und Schrauben bei Woolworth kaufen. Ich bin überrascht, was es hier alles gibt. Die Griffe sitzen danach fest.
Als nächstes schalten wir die Sicherung (den Leitungsschutz-Schalter) aus. Allerdings weiß der Thronfolger nicht mehr, welcher Sicherungskasten und Stromzähler seiner ist. Also lasse ich ihn Kühlschrank und Staubsauger einschalten und sehe den Stromzähler sausen. Nun kann ich die Steckdose aus der Wand schrauben, in dessen Löchern noch die abgebrochenen Stecker eines Netzteils festhängen. Das klappt super. Bald ist die Steckdose wieder an der Wand.
Nach dem Schraubenkauf essen wir bei „Maxim“, dem Stammdönerladen des Thronfolger, zu mittag. Der Dönermann erkennt in mir sofort den Vater seines Stammkunden. Ich esse einen großen Dönerteller (wieder viel Hunger) und der Thronfolger ein Pide mit Sucuk, Ei und Käse. So etwas möchte ich auch mal selber machen. Bei Burc gibt es sicher fertigen Teig für Pide oder ähnliches.
Später laufen wir in die Stadt, weil wir ein paar Second-Hand-Läden wegen Hemden aufsuchen wollen. In der Nähe des Wildparks dann eine alte Frau in einem Rollstuhl. Sie winkt uns zu. Der Thronfolger will sie ignorieren, aber ich spreche sie in totaler Verkennung der eigentlichen Situation an und frage nach, ob sie Hilfe braucht. Sie möchte gerne in den Wildpark geschoben werden. Ich sage zu, obwohl der Thronfolger nicht davon begeistert ist. Also schiebe und schiebe ich. Sie kann die Füße nicht auf den Rollstuhl stellen und trippelt immer mit ihren Füßchen mit. Ich kann deswegen nicht schnell schieben. Zwischendurch wechseln der Thronfolger und ich uns ab. Ich schiebe sie an ein paar Gehege und sie streichelt die Tiere. Sie erzählt auch viel und kennt fast jedes Tier mit Namen.
Auf halber Strecke meint sie, wir können sie auch stehen lassen und sie würde dann jemand anderen um Hilfe bitten, aber ich möchte nicht eine alte Frau alleine im Rollstuhl im Wald stehen lassen. Also schiebe ich weiter. Den Berg hoch ist das ganz schön anstrengend für mich, aber ich hatte ja eh vor, demnächst mit dem Krafttraining anzufangen.
Am anderen Ende angekommen, ist dort eine Bushaltestelle. Sie fragt uns, ob wir ihr mal ein Handy leihen können, weil wohl kein Bus käme und sie wolle eine Freundin anrufen. Dann kommt der Bus aber doch. Sie scheint deswegen enttäuscht zu sein.
Der Thronfolger klappt die Rampe aus und ich schiebe die Dame in ihrem Rollstuhl in den Bus. Ich verweigere aber die Mitfahrt, weil der Thronfolger und ich zu Fuß gehen wollen. Außerdem ist mir bewusst, dass diese Hilfe einfach kein Ende nehmen wird, wenn wir uns nicht abgrenzen. Sie fragt noch „Was? Habt ihr kein Fahrgeld?“ Dann verabschieden wir uns, der Thronfolger klappt die Rampe wieder rein und der Bus fährt ohne uns ab.
Der Thronfolger erzählt mir, dass diese Oma unter Studierenden berüchtigt sei, weil sich regelmäßig von ihnen durch den Wald schieben lässt. Frauen würde sie aber gerne unflätig beschimpfen. Er habe sie auch schon mal geschoben, aber sie habe sich wohl nicht mehr an ihn erinnern können.
Ich empfinde die Begegnung sehr erfrischend. Ihre Freude, die Tiere zu sehen und zu streicheln war echt. Sie machte auch keinen wirren Eindruck auf mich. Sie wirkte eher wie ein Kind. Irgendwie freue ich mich darüber, dass ich ein Saarbrücker Original getroffen habe.
Der Thronfolger und ich taufen die Frau „Wildpark-Vera“.
Eine kurze Recherche findet einen Strang bei Reddit zur ihr.
Der Thronfolger und ich drücken uns durch das Weihnachtsmarktgewühl und suchen zwei Second-Hand-Läden auf. In jedem kaufe ich je ein gestreiftes Hemd und freue mich sehr über meine Neuanschaffungen. Wir besuchen noch einen dritten Laden, aber ich finde kein Gefallen an Leder mit Pentagrammen an Ketten.
Nach einer schönen Runde durch das Nauwieser Viertel verabschieden wir uns an der Bushaltestelle. Ich drücke meinen Sohn zum Abschied und schärfe ihm ein, dass er sich vor alten Frauen im Wald in acht geben soll. Dann gehe ich zum Hotel. Aus einer Laune heraus kaufe ich in einem Kiosk noch zwei Flaschen Mineralwasser für die abendliche Zimmerparty.
Am Ende des Tages habe ich 33.000 Schritte auf der Uhr und bin total fertig.
Mit einer Sicherheits-IBU im Körper dusche ich mich warm und lege mich früh ins Bett.
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