Erschöpfte Nacht. Wieder den Traum nicht aufgeschrieben, also ist er weg.
Damit ich nicht versnooze, habe ich ein Erinnerungs-Post-it auf den Wecker geklebt. Heute geht es nämlich zum Symposium! Ich werde Vorträgen über den Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung lauschen, mich am Kelch der Weisheit haben, neue Eindrücke sammeln und habe schon am frühen Morgen keine Lust dazu. Dabei fahre ich da vollkommen freiwillig hin! Ich vermute, meine Unlust hat mit meiner Abgrenzungsproblematik zu tun, also übe ich mich in Gefühlsakzeptanz.
Der Kiesel rollt zum Symposium. Es gibt nur eine Sache, die lustiger ist als Business-Kasper: Leute im öffentlichen Dienst, die so tun, als wären sie Business-Kasper!
Für Introvertierte wie mich ist so ein Symposium doch ganz schön unangenehm: Alle sind dabei, zu socializen und unsereiner wäre am liebsten unsichtbar. Teilweise gelingt mir das ganz gut: Als ich mich an einem Stehtisch festklammere, stellt sich plötzlich eine Gruppe dazu. Es kommen noch weitere Leute vorbei und werden mit großem Hallo begrüßt. Dabei werde ich immer misstrauisch beäugt. Unangenehm! Wie kann man eigentlich so aussehen, als ob man nicht dazu gehört? Ich inspiziere die Deckenbeleuchtung.
Zum Eröffnungsvortrag im großen Saal setze ich mich erst hier hin, dann dort hin. Ein stiller Mann (ein Mit-Nerd) verfolgt mich, denn er sucht offensichtlich Anschluss. Immerhin wirke ich nicht wie jemand, der über Geld entscheiden kann.
Nach dem Eröffnungsgelaber folgt ein Impulsvortrag, der unterhaltsam ist und immerhin einen gewissen Erkenntnisgewinn bietet. Beim Panel mit den ganz wichtigen Leuten fliehe ich.
Der Roboter, der hier das süße Gebäck reicht, heißt „Marky“. Der hat sich die Zukunft bestimmt auch anders vorgestellt!
Konferenz-Tipp für Introvertierte: Einfach mal nach ungenutzten Veranstaltungsräumen umsehen! Dort kann man sich prima ausruhen und wenn man beschäftigt tut, spricht einen auch niemand an.
Ich höre eine ganze Menge Marketinggelaber. Ein paar Ideen bekomme ich dann doch, wie man bestimmte Verwaltungsprozesse mit Hilfe von LLMs unterstützen kann. Jetzt muss es nur noch funktionieren! Als ich den Satz höre „Damit kann man die Halluzinationen auf ein Minimum reduzieren!“ muss ich beinahe laut auflachen! Wer übernimmt eigentlich die Haftung, wenn mein Förderantrag wegen einer fehlerhaften „KI-Beratung“ abgelehnt wird?
Mittagspause am Rhein. Ich verzichte auf das dargereichte, sicher sehr gute Essen, möchte meine Mahlzeit aber nicht im Stehen in all dem Geplapper hinunterschlingen. Also futtere ich meine Knifte draußen. Durch die Sonnenbrille wirkt die Stimmung hier fast schon mediterran.
Nach der Pause (Rhein! Wind! Sonne! Alleine!) habe ich mich so langsam an diese Leute um mich herum gewöhnt. Als ich mir eine Tasse Kaffee hole, sehe ich, wie sich eine Frau einen schweren Teller reindrückt. Kniftenwahl ist gute Wahl!
Ich höre doofe Verkaufsvorträge, aber auch einen, von jemandem aus dem echten Behördenumfeld. Er stellt eine schöne, schlanke Anwendungsschicht vor. Gerne würde ich den Kollegen in den Arm nehmen, denn bei den vielen Microsoft-Fans in den Entscheider-Etagen wird das eine Totgeburt.
Die letzten Vorträge knicke ich mir, als ich bemerke, wie erschöpft und entnervt ich langsam bin. Das ist ein Geschenk der Achtsamkeit denn früher hätte ich noch ausgeharrt, weil da ja noch ein ,,wichtiger“ Vortrag kommen sollte. Bis dahin hätte ich das alles ertragen und von dem letzten Vortrag hätte ich nicht mehr viel mitbekommen sondern nur die Minuten bis zu seinem Ende gezählt.
Also breche ich ab und auf. Die Rückfahrt mit der U79 ist unspektakulär. Ich verzichte wegen der fast leeren sozialen Batterie auch auf die Schreibsession in der UB, sondern gehe nach Hause.
Hier ist die Haustür wieder kaputt und ich bin leicht genervt.
Daheim esse ich den Rest der Lavendelkartoffeln und mache ein wenig Papierkram.
Morgen ist schon Donnerstag und die Woche dann irgendwie schon fast rum.