Sie wälzte sich auf ihrem Lager herum, als läge sie auf billigem Stroh anstatt auf Kissen aus Seide und feinsten Daunen.
Ein Gedanke, ein liederlicher kleiner Gedanken kreiste in ihrem Kopf und ließ ihr keine Ruhe. Immer wieder schob sie ihn beiseite und immer wieder machte er sich in ihr breit und vertrieb den Schlaf.
Sie setzte sich auf und fluchte. Verdammt! Sie hätte die Nachricht erst am nächsten Morgen lesen sollen! Dann wäre sie jetzt nicht so rastlos!
Seufzend stand sie auf. Wenn sie sowieso keinen Schlaf mehr finden würde, könnte sie sich um die Angelegenheit auch gleich jetzt kümmern!
Sie trat kurz an ihren Schminktisch und griff nach einer langen, dünnen Nadel und einem Lederbändchen. Dann ging sie zu einem hohen Kohlebecken, das mitten ihn ihrem Schlafgemach stand. Unterwegs band sie sich die langen, blonden Haare mit dem Leder zusammen.
Das Becken war leer und kalt. Sie sah es an und sammelte sich. Sie spürte die warme Luft auf ihren bloßen Schenkeln, das dünne Seidenkleid auf der glatten Haut. Dann stach sie sich mit der Nadel in den Daumen und ein paar große Blutstropfen fielen in die Schale. Es brauchte nur ein Zwinkern ihres Geistes und schon verging das Blut in einer lodernden Flamme.
Sie beugte sich vor und sprach in den sich kräuselnden Rauch.
Er stand ganz oben auf dem Berg und schaute in den klaren Nachthimmel. Die Lavaströme, die rot leuchtend in das kleine Tal hinunter flossen, beachtete er nicht.
Den Geruch von brennendem Stein hingegen nahm er sehr wohl wahr.
Die Sterne waren hell in dieser Nacht und sie glitzerten wunderbar, fand er. Seine Flügel hatte er angezogen und ein kühler Wind strich über seine Schuppen. Da zog ein Schauer von Sternschnuppen über den Horizont und er hörte eine Stimme. Sie rief seinen Namen:
„Urahn!“ sagte sie „Urahn! Ich rufe dich! Ich brauche Deine Dienste!“
Er wandte den Blick von den Sternen ab und sah dem flüssigen Gestein hinterher.
„Ja, Herrin!“ flüsterte er.
Er würde gehorchen. Er musste gehorchen.
—
Sie musste nicht lange warten, da spürte sie schon die Anwesenheit eines übernatürlichen Wesens. Er zeigte sich nicht. Natürlich nicht. Er würde sich erst offenbaren, wenn sie es ihm befahl.
Er war so berechenbar!
Sie kicherte lautlos und sprach die vorgeschriebenen Worte.
„Wer immer auch hier ist: Zeige Dich! Zeige Dein Antlitz!“
Es gab einen Lufthauch und er stand vor ihr. Kurz blickte er sie an, dann sank er auf die Knie.
„Herrin,“ grollte seine Stimme „ich höre und gehorche!“
Sie ließ sich ein wenig Zeit, um ihren Diener zu betrachten: Seinen roten Schuppenpanzer, die Muskeln, die hässliche Fratze mit dem Maul voller Zähne, diese lächerlichen Hörner auf dem Kopf, die aussahen, als habe er sie vom Schädel eines Stieres genommen. Der Dämon war groß, sehr groß. Sein zweites Armpaar mit den Flügeln hatte er weit ausgestreckt, was ihn noch größer erscheinen ließ.
Mit einem Gedanken war er bei ihr in ihrem Schlafgemach. Selbst der Weihrauch, selbst das Parfüm in der Luft konnte ihren Geruch nicht vor ihm verbergen – gierig schnüffelte er. Sie stand, nur mit einem dünnen, weißen Seidenkleid bedeckt, mit dem Rücken zu ihm in der Mitte des Raumes. Das Kleid war an den Seiten geschlitzt und er konnte die olivbraune Haut ihrer Beine sehen.
Dann zwang sie ihn, sich zu zeigen.
Bevor er vor ihr niederkniete, sog er ihren Anblick in sich auf. Die Augen dunkelbraun, fast schwarz. Die Lippen rot und voll, die gerade Nase, den Schwung ihrer Wangen. Sie hatte einen belustigten Zug um den Mund und ihre Stirn war leicht in Falten gelegt.
Offensichtlich fand sie das hier mal wieder sehr spaßig.
Es tat einen heftigen Stich in seiner Brust und das Gefühl in ihm brannte heiß wie das Feuer der Hölle.
Er musste gehorchen.
Sie würde ihm nicht gestatten, sie weiter anzustarren, also unterzog er den hellen Marmorboden ihres Gemachs einer eingehenden Überprüfung.
„Da bist Du ja!“
Ihre Worte ließen ihn erschauern.
„Ich habe einen Auftrag für Dich.“ sprach sie und ihre Stimme war weich. Er konnte ein leichtes Näseln darin vernehmen, aber das tat ihrer Schönheit keinen Abbruch.
„Ich habe Nachricht bekommen, dass in Samorra ein Artefakt aufgetaucht ist.“ Sie begann nun, auf und ab zu gehen, während sie mit ihm sprach. Ab und an konnte er ihre bloßen Füsse sehen. „Dieses Artefakt ist sehr wertvoll für mich. Du wirst nach Samorra gehen und es für mich holen.“ Sie blieb stehen. Ihre Fußnägel waren rot lackiert.
„Sofort!“
Er nickte. Vorsichtig, damit er sie nicht mit seinen Hörnern berührte. Dann stand er auf und sah sie noch einmal an. Trank ihre Schönheit und versuchte, sich jedes Detail ihres Gesichts einzuprägen.
Sie schenkte ihm ein Lächeln und in ihren Augen blitzte etwas auf. „Wenn ich zufrieden mit ihr bin, bekommst Du auch eine Belohnung!“ hauchte sie und er musste alle Kraft zusammennehmen, bei dem Gedanken nicht hart zu werden.
„Und nun geh!“ Dieser Satz kam wieder herrisch und streng.
„Ich höre und gehorche, Herrin!“ sprach er darauf die alten Worte. Er versuchte nicht, noch mehr Zeit bei ihr herauszuschinden, sondern teleportierte sich gleich nach Samorra.
Wieder stand er auf einem Berg. Es war jetzt hellichter Tag und die Sonne brannte wie ein wütendes Auge in einem endlosen, blauen Meer.
Der Geruch von Ziegen und menschlichem Schweiß drang in seine Nase. Er nahm die Gestalt eines Menschen an. Ein weites, grobes Gewand kleidete ihn nun und auf dem Kopf trug er einen Turban.
Er würde gehorchen.
Aber nicht für immer.
Denn er hatte einen Plan.