Nacht
Mittelgute Nacht. Ohrenstöpsel drin bis ca. halb vier Uhr, dann beginnen sie zu drücken. Ich bemerke wieder einmal, wie tief der Schlaf mit den Stöpseln ist.
Traum von der Zugfahrt
Mir träumt, ich bin verreist. Die Reise dient wohl dienstlichen Zwecken und als dieser Zweck erfüllt ist, strömen alle zum Bahnhof. Der Fahrgasttunnel des Bahnhofes ist kreisförmig angeordnet: Man läuft durch ihn gegen den Uhrzeigersinn und nimmt dann den Aufgang zum Bahnsteig mit den Gleisen in die Richtung, in die man muss. Ein Mann mit langen, weißen Haaren will den Zug nach Stuttgart bekommen. Er verpasst ihn knapp und ich versuche, ihm auf dem vollen Bahnsteig aus dem Weg zu gehen, denn ich möchte mich nicht mit ihm unterhalten.
Später sitze ich im Regionalexpress auf dem Weg in die Jugendherberger. Dort teile ich mir ein Zimmer mit A., C. und der besten Ex-Frau von allen. Die beste Ex-Frau von allen liegt im Bett und isst einen Schokoladennikolaus. Ihr Mund ist ganz verschmiert. Dann müssen wir doch eigentlich bald los für den täglichen Ausflug!
Ich gehe schon mal runter ins Foyer (vorher habe ich Schwierigkeiten, meine Hose zu finden) und schreibe ein paar Postkarten.
Morgen
Ich stehe gegen halb sechs Uhr auf. Die Muskeln sind erschöpft, der Geist ist einigermaßen frisch. Die innere Unruhe ist stärker als gewöhnlich. Eine Ursache hierfür ist der vierteljährliche Kontrolltermin beim Kopfdoktor. Eigentlich kein Grund zur Unruhe, aber es ist mal wieder ein Tag anders als sonst und das macht mich nervös.
Gewicht
Mein Gewicht ist gerade irgendwas um die 118 kg. Ich muss momentan wieder mehr darauf achten, nicht zu häufig nach den Werten zu schauen. Nach einem Ausreißer nach unten mit knapp über 117 kg ist das Gewicht über Nacht wieder nach oben geschossen und pendelt sich nun langsam wieder nach unten.
Meine Gewichtskurve sehe ich jetzt so:

Das ist das Widget der App ,,Happy Scale’’, welche meine Gewichtsdaten von Apple Health bekommt und eine richtige Kurve aus den einzelnen Datenpunkten berechnet. Mir gefällt, dass man keinerlei Werte sieht, denn es geht ja um die Tendenz.
Allerdings erinnert mich die App daran, wenn bestimmte Meilensteine erreicht sind. Bis zum nächsten (110 kg) ist es aber dann wohl noch eine Weile hin.
Der Keks
Vor dem Kopfdoktortermin möchte ich noch einen Kaffee trinken. Da der Barista sich noch mit seinen Geliebten in den weichen Kissen wälzt, gehe ich die Filiale einer Bäckereikette. Ohne zu fragen, bekomme ich einen Keks zum Kaffee, was mein soziales Zwangsgehirn zu Höchstleistungen anspornt:
- ,,Was soll ich jetzt machen? Ich kann den Keks doch nicht essen! Ich muss mich doch an meine Regel halten, zwischen den Mahlzeiten keine Kalorien zu mir zu nehmen!“
- ,,Vielleicht kann die Frau Bäckereifachverkäuferin den Keks ja wieder zurück legen. Sie hat ja eine Zange benutzt. Aber wenn ich sie darum bitte, schaut sie mich bestimmt komisch an.“
- ,,Ich könnte den Keks ja einfach auf dem Tablett liegen lassen, aber dann wird er weggeschmissen. Das ist Verschwendung!“
- ,,Muss ich jetzt sogar beim Kaffeetrinken darauf achten, was man mir ungefragt noch dazu gibt? Ich will doch nur eine Tasse Kaffee!“
- ,,Wenn der Keks wenigstens eingepackt wäre, könnte ich ihn ja mitnehmen und jemandem schenken!“
Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie ich mich selber in eigenen Vorstellungen, Gewohnheiten und (z.T. imaginierten) sozialen Normen einfange.
Ich habe den Keks dann übrigens gegessen. Er hat ganz gut geschmeckt.
Menschenbeobachtungen
In der Bäckerei eine sehr alte Frau in einem mit Pailletten besetzten Minirock. Am Hauptbahnhof eine große Gruppe mittelalter Frauen mit Koffern und Sektgläsern. Eine lässt eine Tupperdose mit Käsestücken herumgehen.
Wirklichkeitswahrnehmung
Mit dem Kopfdoktor bespreche ich meine Wahrnehmungsverschiebungen. Er beruhigt mich, dass psychotische Zustände usw. eher ausgeschlossen sind. Es sei aber ganz normal, dass von solchen Dingen wie Dissoziation oder Psychosen betroffene Menschen berichten, dass die Symptome auch mal gerne geschwächt im Alltag auftreten können und dann wieder verschwinden.
Ich habe den Gedanken, dass meine Wahrnehmung sich wie ein Schieberegler verschiebt: Entweder nehme ich viel von der Welt war oder eben wenig. Nehme ich die Welt offen auf, bin ich in ihr und kann mit ihr kommunizieren. Das andere Ende der Scala ist die Dissoziation, wo ich nur noch extrem wenig wahrnehme und wie ein Roboter durch die Welt stakste. Vielleicht verschiebt sich dieser Regler im Laufe des Tages ja immer mal wieder in die eine oder andere Richtung. Ich finde es momentan spannend, dass zu beobachten (der Regler ist also offensichtlich auf der linken, der ,,weltoffenen“ Seite).
Pocketbook weg
Pocketbook kann ich dann wohl abschreiben. Außer, ich finde es in einer Sofaritze wieder. Wie bereits erwähnt, kann ich ja auch das iPad mini als E-Book-Reader verwenden (es macht dabei einen sehr guten Job), werde aber die leichte Unkaputtbarkeit des Pocketbook (Jackentasche!) vermissen.
Man muss auch loslassen können.
Schreiben
Als ich mit einem Herzen voller Freude in Duisburg aussteige, beschließe ich spontan einen kleinen Umweg über die Universitätsbibliothek zu machen. Dort überarbeite ich zwei Kapitel des Romans. Es geht noch flott voran, denn die Kapitel mit dem hohen Überarbeitungsbedarf kommen erst noch. Trotzdem bin ich guten Mutes, denn ich komme gut in diese früheren Texte rein.
Es ist für jemanden wie mich faszinierend, einfach so spontan Dinge tun zu können, die einem in den Sinn kommen, denn eigentlich habe in meinem Leben gelernt, dass das immer etwas Schlechtes ist.