2023-04-02

Sonntag, 02.04.2023 – Komplexe Rückfahrten

Die Nacht

Wie immer in fremden Betten schlafe ich nicht sonderlich gut, aber hinreichend.
Mir träumt, ich würde den Schwager in Hamm besuchen. Dort gingen wir feiern, doch dann musste ich ja los, um meinen Zug nach Koblenz zu kriegen. Wir verabschiedeten und ich machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Doch irgendwie bin ich wohl aus einer falschen Gewohnheit heraus zu seinem Häuschen gelaufen. Als ich vor seinem Haus auf der Straße stand, hörte ich den Schwager in seinem Garten reden. Sollte ich noch zu ihm gehen? Oder lieber flugs zum Bahnhof, denn es war schon mitten in der Nacht und ich wollte meinen Zug ja nicht verpassen. Da hörte ich plötzlich auch seine Ex-Frau und dass die beiden sich laut stritten. Da ging ich schnell weiter, in der vagen Ahnung, dass hinter dem kleinen Wäldchen das Stadtzentrum von Hamm liegen müsse.
Der Wald war dunkel und so beleuchtete ich den Weg mit meinem CAT B40-Telefon. Einmal traf ich einen Jogger, sonst war nichts los im Wald.
Als ich am anderen Ende des Waldstückes angekommen war, graute der Morgen und ich stand in einem kleinen, sehr malerischen Städtchen. Die Häuser waren alle sehr ähnlich aus Beton gegossen, aber so verziert und von Efeu bewachsen, dass sie sehr schmuck wirkten.
Ich fragte eine Passantin nach dem Weg zum Bahnhof Hamm und sie meinte, ich sollte doch die ,,Ostfriesenbahn“ nehmen. Noch während ich nach der richtigen Haltestelle suchte, nahm mich ein älterer, glatzköpfiger Mann in seinem Bulli mit. Wir mussten nur noch schnell Kuchen abholen, dann könne er mich zum Bahnhof fahren, meinte er. Die Kuchen waren auf Blechen in einer großen Halle aufgebahrt. Wir inspizierten das Gebäck kritisch: Hier fehlte Zugerguss, da waren die süßen Herzen lieblos aufgebracht. Auf zwei Blechen hatten man einfach schnell und hastig die Reste zusammengepatscht.
Damit waren wir nicht zufrieden.

Hotelmorgen

Ich weder um viertel vor sieben Uhr wach und damit noch vor dem Weckerklingeln. Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir, dass der Busbahnhof noch immer da ist (das Zimmer ist ganz oben im sechsten Stock).
Nach einer flotten Dusche gehe ich zum Frühstück. Das Büffett ist sehr reichhaltig und wie immer frage ich mich, ob die ganzen Reste wirklich am Ende des Tages weggeworfen werden. Was für eine Verschwendung! Da gefällt mir die Lösung im Bio-Hotel in Saarbrücken: Man wählt am Abend vorher aus drei möglichen Frühstücksvarianten aus, kreutz Extrawünsche an und kann aber jederzeit am Tisch noch Dinge in beliebiger Menge nachordern!
Das mag auf den ersten Blick nach mehr Arbeit aussehen, aber im GHotel sehe ich mindestens drei Servicekräfte herumlaufen, die Kaffeewünsche servieren, das Büffett nachlegen und Geschirr abräumen. Die könnten die Gäste auch locker noch bedienen (dafür sparen sie sich das Büffett).
Noch während des Frühstücks steigt in mir ein leichter Ärger hoch: Wäre ich noch früher aufgestanden und hätte nach der Dusche sofort meine Sachen gepackt, hätte ich direkt um sieben Uhr frühstücken und dann einen Zug früher um 08:06 Uhr nehmen können! Eine Stunde gewonnen!
Doch ich versuche nun, mich nicht über meinen Ärger zu ärgern, denn wozu sollte ich mich abhetzen? Garantiert hätte ich dann mein Frühstück heruntergeschlungen und wofür? Dass der Thronfolger eine Stunde eher aufstehen muss, um mich am Bahnhof in Saarbrücken abzuholen? Dass ich mit schmerzenden Füßen schnell-schnell zum Bahnhof humpele, weil ich einfach zu nervös bin, wenn die Zeit bis zur Abfahrt zu sehr abgezählt ist?
So habe ich doch noch genügend Zeit, nach dem Frühstück aufs Zimmer zu gehen, alles zusammenzuräumen, noch ein- oder zweimal die keramsische Abteilung aufzusuchen und den Traum der letzten Nacht zu verbloggen! Auschecken in Ruhe um halb neun, dann gemütlich zum Zug eumeln. Da der Zug in Koblenz eingesetzt wird, besteht ja auch eine gewisse Chance, das ich schon vorher an Bord gehen kann.

Abstinenz

Gestern habe ich mal wieder auf Mastodon gepostet, wie froh ist darüber bin, dass ich nüchtern abends durch die Gegend fahren. Da kam mir der Gedanke, dass es Leute vielleicht nerven könnte, wenn ich auf dem Thema (auch hier) immer wieder herumreite.
Ich stellte mir die Frage: ,,Beschäftige ich mich zu sehr mit der Sache? Gehe ich den Leuten damit auf den Wecker?“
Dann aber sah ich die ganzen Tröts, in denen Leute Fotos von Gläsers und Flaschen mit Bier, Wein und Schnaps posten und dabei ,,Wochenende! Prost, Leute!“ schreiben und denke: Eigentlich darf das Thema Abstinenz doch genauso präsent sein wie der Konsum von Alkohol, oder?

Reisenotizen

Wie erwartet kann ich schon eher in den Zug einsteigen. Da es nicht so viele andere Fahrgäste gibt, bekomme ich einen guten Sitzplatz mit Tisch. Er ist sogar so gut, dass eine ältere Dame, die gemeinsam mit mir in den Zug einsteigt, sich er bei mir rückversichert, dass das auch wirklich die zweite Klasse ist. Ich bejahe mit festem Tonfall, schaue mich aber sicherheitshalber noch einmal genauer um.

Nicht nur der Platz ist toll: Es fährt auch ein junger Mann mit einem Wägelchen durch den Zug und verkauft Erfrischungen. Wie im Fernverkehr! Ich verzichte jedoch auf einen heißen Kaffee, denn zum Einen ballert der Cappuchino vom Frühstück noch ganz und zum anderen habe ich noch den grünen Tee von gestern Nachmittag in der Thermosflasche. Letzterer ist noch angenehm lauwarm, wie ich mit Freuden feststelle.

Wir fahren die Mosel entlang und die Landschaft ist schön. Auf den Campingplätzen am Flußufer ist nicht viel los: Nur das eine oder andere Wohnmobil steht verlassen herum. Der Fluß hingegen ist gut gefüllt.

Wenn nicht gerade aus dem Fenster schaue, tippe ich auf dem reMarkable herum. Ich schreibe auf dem Gerät ein paar E-Mails an Freunde, die ich dann später irgendwann vom iPad oder vom Mac aus abschicken werde.

Die Landschaft ändert sich: Die Mosel biegt ab und nun fahren wir durch weniger gedrängt wirkende Ortschaften, die zwischen bewaldeten Hügeln und Bergen liegen.

Lecker Essen

Am Hauptbahnhof Saarbrücken treffe ich auf die beste Ex-Frau von allen, die Schwägerin, gepanzerte Polizisten und eine große Menge Fußballfans. Die Polizeibeamten sind hier, weil heute der FC Saarbrücken gegen eine Mannschaft aus Mannheim spielt und die Fans der Mannschaften mögen sich wohl nicht besonders. Der Thronfolger und der Neffe verspäten sich und wir schauen inzwischen den um uns herum waltenden Dreiklang aus Alkohol, Dialekt und offen gelebter Dummheit zu. Dabei werden wir von einem vielleicht fünfjährigen Mädchen mit stieren Blick beäugt.

Das heutige Geburtstagskind (der Thronfolger) und sein Vetter trudeln irgendwann ein. Die Schwägerin und der Neffe werden verabschiedet und die Kernfamilie macht sich auf den Weg in die örtliche Filiale der Kette L’Osteria.

Das Essen hier ist lecker: Ich entscheide mich entgegen meinen sonstigen Gewohnheit nicht für eine Pizza sondern für Tortellini in gehaltvoller Soße. Der Thronfolger bekommt hingegen eine wagenradgroße Pizza. Alles schmeckt sehr gut und der belegte Fladen des Thronfolgers hatte einen derart fluffigen Teig, dass er ihm leicht und zart im Magen liegt wie der Pups eines Engels.

Heimfahrt

Wir versuchen, Saarbrücken zu verlassen, bevor die „Fans“ nach Abfiff des Spiels den Nahverkehr lahmlegen. Also steigen wir kurzerhand in die Bimmelbahn nach Trier mit dem Plan, dort in unseren regulären RE 1 zu steigen, denn die Gröhlmenschen kommen ja alle aus dem Umland von Saarbrücken und werden so fern der Heimat sicher schon den Zug verlassen haben.

Der RE 1 fällt ab Saarbrücken aus und wir vermuten einen Zusammenhang mit der „Begeisterung“ der „fröhlich“ und „ausgelassen feiernden Fußballbegeisterten“.

Zu unserem fast unendlichen Entzücken wird jedoch vollkommen unerwartet ein Ersatzzug bereitgestellt. Wir fahren nun erstaunlich bequem nach Koblenz.

Der RE 5 von Koblenz nach Duisburg fährt eine ganz gute Verspätung ein. Auf meine gelegentliche Bemerkung, dass es jetzt wieder ein paar Minuten Verspätung dazu gekommen sind, meint der Thronfolger, dass das mit den Verspätungen wie mit Kindern sei: Stolz würde man ihnen beim Größerwerden zusehen.

Am Duisburger Hauptbahnhof trennen wir uns. Die beste Ex-Frau von allen ist komplett im Eimer, ich fast. DerThronfolger hat wie immer Hunger.

Glückspilz, der ich bin, erwische ich noch eine 901 und falle gegen 23 Ihr wie tot ins Bett.