Natürlich schlafe ich furchtbar schlecht. Den komplett irren und erstaunlich detaillierten Traum vergesse ich sofort wieder.
Ich stehe kurz vor dem Weckerklingeln um halb fünf Uhr auf. Sehr aufgeregt. Zum Glück habe ich schon alles gepackt und vorbereitet.
Auch wenn der Rucksack in Teilen klebrig ist, bin ich froh um ihn, denn ich trage das Gewicht lieber auf dem Rücken und den Schultern als mit den Händen (die sind ja für des Thronfolgers Reisetasche reserviert).
Man kann über den DB Navigator ja meckern wie man will, aber die Benutzerführung bei geplanten und gebuchten Reisen finde ich gelungen. Man muss ja auch mal loben!
Die erste gute Überraschung des Tages: Ich muss seinerzeit wohl einen Platz in einem Ruheabteil gebucht haben! Erst laufe ich verwirrt durch den Wagen, wie man halt nur verwirrt durch einen Wagen der Deutschen Bahn laufen kann. Dann schaue ich doch noch einmal bei den Platznummern der Abteile und siehe da: Da ist er ja, der 96er!
Leise, leise schleiche ich ins leere, dunkle Abteil. Ein Piktogramm gemahnt zur Ruhe. Ich checke mich komfortabel über den Komfort-Checkin ein und freue mich. Welch ein Luxus! Selbst wenn noch andere Leute hier zusteigen, müssen die alle ganz leise sein wie kleine Mäuschen!
Man bringt mir Kaffee. Erste Klasse bedeutet auch: Erste Tasse und zwar aus Porzellan.
In Siegburg steigt ein junger Mann zu mir ins Abteil Wir schweigen gehaltvoll. Wenn Leute mit Koffern durch den Gang laufen, übe ich meinen hochnäsigen Blick, aber das will nicht so recht klappen.
Die ersten zwei Stunden Fahrtzeit vergehen wie im Zug. Der junge Mann im Abteil bekommt Gesellschaft. Erst bequaken die beiden etwas und ich schaue empört, weil wir doch im Ruheabteil sitzen! Allerdings richtet sich mein empörter Blick nach innen und so bekomme nur ich etwas davon mit.
Ich verbringe die Zeit mit dem Lesen sich angehäuft habender Artikel im Feedreader. Ich lobpreise mal wieder die App ,,ReadKit“, welche so schön mit meiner FreshRSS-Instanz synchronisiert.
Heute vor 41 Jahren hat Oberst Petrow die Welt gerettet, indem er im entscheidenden Moment cool blieb und eine Meldung nicht weitergab. Hätte er dies getan, wäre womöglich der Atomkrieg ausgebrochen und die Menschheit wäre vernichtet worden.
Oberst Petrow starb im Jahr 2017. Möge er in Frieden ruhen!
Wenn man ein fremdes Land bereist und dazu das Flugzeug nimmt – wie soll man dann die ganzen Bücher lesen, die für den Besuch notwendig sind? Wie fühlt man sich ein, wie kommt man an?
Da erscheint mir der längere Weg mit dem Zug besser geeignet.
Umstieg in München. Ein furchtbarer, lauter Bahnhof. Eine Baustelle, die zur Zeit auch noch saniert wird. Während die Damen sich wies’n-bedingt eher im abgemilderten Trachtenlook unterwegs sind, verspüren die Männer überhaupt keine Scham.
Ich esse ein ur-bayerisches Mozzarella-Baguette und eine Butterbreze, dann steige ich in den EuroCity der ÖBB. Der Zug heißt ,,Blauer Enzian“ und nein, wir denken jetzt alle nicht an das rosa Nilpferd, welches Donald Trump gut findet!
Die Sitze in der ersten Klasse heißen bestimmt ,,SENATOR“.
Eine Horde Rentner unbestimmbaren Dialekts (ich tippe auf Südwest) sucht Sitzplätze für sich und ihren erstaunlichen Berg an Koffern. Wenn ich je mal ein Buch über das Reisen mit dem Zug schreiben sollte, so nenne ich es: ,,Die Scham der Reservierten“.
Ein älteres, unverkennbar amerikanisches Ehepaar setzt sich zu mir. Ihre Koffer sind sehr schwer. Was haben die ganzen Leute eigentlich immer mit ihren Koffern?
Ein kurzes Gespräch klärt auf: Das sind alles Umstiegsflüchtlinge (bzw. Umstiegsgeflüchtete), die natürlich kein Reservierung haben können.
in großes Plakat im Bahnhof verkündet: „Die Wahrheit kommt nicht allein ans Licht. Jemand muss sie suchen.“ Eine Werbung für Verschwörungsmythen im Allgemeinen?
Das amerikanische Ehepaar hat Glück und die Plätze auf denen sie sitzen, werden nicht beansprucht. Die Dame spricht recht gut deutsch. Es ist süß, dass sie sagt, sie hätten ihren Zug „vermisst“.
Ich schlafe ein, werde von der Sonne geweckt. Draußen Berge, ein See. Der Chiemsee? Hoffentlich habe ich nicht geschnarcht.
Ich lese und lese (nun ,,Lesereise Slowenien“ von Hanappi und Schomann). Beginnt nicht nun die Pilz-Saison? Der Slowene gilt ja als leidenschaftlicher Pilzsammler und auf Pilze hätte ich durchaus Lust. Da Koper am Meer liegt, hoffe ich auf leckeren Seefisch.
Man liest auch viel über Käse. Was der slowenische Käse wohl für einer ist?
Notiz an mich: Käseplatte testen!
Im EC kaufe ich bei einem lustlosen Herren eine kleine Flasche Wasser. Die Bewegung tut gut, denn nach den vielen Stunden Zugfahrt beginnen langsam die Schmerzen.
In Salzburg leert sich der Zug. Alles Umsteiger nach Wien. Dem großen Wien, dem schönen Wien, dem ewigen Wien.
Das Reisen macht etwas mit mir. Das lange Warten, das Tuckern, das Gleiten. Ich, der ich doch immer schon weiter denke, weiter plane, werde gezwungen, anzuhalten. Schreibe ich ein paar Brief auf dem Briefblock, so sehe ich mich schon einen neuen kaufen. Oder sollte ich mir sogar mehrere auf einmal bestellen? Ich denke die Dinge zu Ende, aber ich beende sie nicht. Wenn man das auf einer Reise macht, kann man schnell verrückt werden, denn die Wirklichkeit schert sich nicht um unsere Pläne: Entweder fährt der Zug oder er fährt nicht. Da kann man noch so zornesrot daherbrüllen wie ein Kleinkind oder ein deutscher Rentner.
Später kommt der Futterwagen vorbei, geschoben von einem sehr österreichischen jungen Herrn. Ich bestelle einen Kaffee (einen ,,Verlängerten“ – ich muss meinen Kopf erst noch auf Austria umstellen), der dann tatsächlich vor meinen Augen frisch aufgebrüht wird.
So langsam bekomme ich das Gefühl, die restliche Fahrtzeit von fast drei Stunden doch noch gut überstehen zu können. Das Reisen auf diese Weise ist doch recht kommod, auch wenn das sicher auf die erste Klasse zurückzuführen ist. Morgen geht es in der zweiten Klasse weiter, da werde ich ja den Vergleich haben.
Am Fenster ziehen Berge vorbei.
Wir durchfahren eine wilde Schlucht. Wild ist auch der Fluß, der uns gerade noch mit durch die Enge lässt.
Ein Mann steht im Gang und telefoniert laut. Er fährt heute noch nach Laibach weiter. Wenn man in der ersten Klasse fährt und mit den Verbindungen Glück hat, kann man auch an einem Tag von Duisburg nach Laibach fahren.
Dazu muss man dann in Villach umsteigen. Auf dieser Reise mache ich jedoch noch einen Abstecher nach Klagenfurt.
Auch wenn es eigentlich eine Banalität ist: Verreisen ist nicht nur eine Frage der Entfernung, sondern auch der Zeit. Ein ganz klein wenig kann ich bereits jetzt schon die vielen kleinen Gedanken, Zwänge und Ängste hinter mich lassen.
Der EuroCity ist so herrlich altmodisch! So ein richtiger Zug aus dem Der Jahren. Nur wenn man auf die Toilette geht, fällt nichts mehr auf die Gleise.
In Klagenfurt bin ich dann doch ganz schön kaputt. Zum Wörthersee ist es für einen Spaziergang zu weit, also laufe ich ins Stadtzentrum. Notiz an mich: Das nächste Mal lieber in einer der kleineren Ortschaften am See logieren, denn da ist man näher am Wasser. Außerdem fehlen nach einer derart langen Anreise sowohl Zeit als auch Energie für große Erkundungen.
Auf dem zentralen Platz steht ein Denkmal des legendären Klagenfurter Lindwurms, welcher der Sage nach vom heiligen Georg erschlagen worden ist. Dem Steindrachen gegenüber steht aber unverkennbar Herkules (Löwenfell, Keule). Warum?
Etwas abseits steht Maria Theresia als ob sie das alles (und besonders der nackte Mann!) nichts anginge.








