2024-09-28 Samstag: Slowenien 3, Koper

Mittelguter Schlaf. Draußen am bunten Springbrunnen spielennoch lange kleine Kinder. Als ich das Fenster schließe, ist es ruhig. Träume wieder bunt und wirr. Mein Gehirn verarbeitet und ordnet wie verrückt.

Mir träumt, dass die beste Ex-Frau von allen und ich an einem Projekt zur Leseförderung von Kindern arbeiten. Wir haben die Idee zu einem Comic. Die beste Ex-Frau von allen zeichnet und ich schreibe die Geschichte dazu. Es geht um einen lesenden Bären. Allerdings verwerfen wir den Plan wieder. Dennoch hat jemand die Sache rumerzählt und wir erfahren, dass mein ehemaliger Gruppenleiter intern Druck macht, dass ein Comic-Vertrag mit uns aufgesetzt wird. Ich erkläre der besten Ex-Frau von allen, dass ich das noch aus meiner Zeit im Ministerium kenne: Bloß niemandem von Ideen erzählen, denn sonst wird sofort ein Projekt mit Fristen daraus!

Wir verstecken uns bei einer indischen Familie, dessen Kind mit dem (noch kleinen) Thronfolger befreundet ist. Die Mutter trägt einen Sari und ist sehr schön. Nur ihre Augen sind irritierend nah beineinander.

Später treffe ich noch P. und B. Sie umrunden gemeinsam mit B.’s Bruder S. ein Kinderkarussell. S. hat nämlich Geburtstag und hier sei ein Geschenk versteckt. Irgendwann findet S. (der sich als Freddy Mercury verkleidet hat) etwas und die Aufregung ist groß.


Ich stehe um acht Uhr auf. Draußen vor dem Fenster streiten sic wieder die Möwen. Zum Hostel gehört auch ein ,,Bife“ wo ich kräftigen Espresso trinke. Auf ein Frühstück habe ich nach der Pizza gestern Abend keine Lust.
Der Himmel ist blau und es ist morgendlich kühl.
Die Kellnerin ist sehr nett und natürlich. Als sie sich kurz zu einem bekannten Pärchen setzt und ein wenig plauscht, finde ich das irgendwie niedlich. Liegt aber wahrscheinlich an meiner momentanen Stimmung. Ich bin sehr entspannt und fast überhaupt nicht ängstlich, kann sogar an diesem Ort und in dieser Zeit sein, ohne dass der Geist panisch in Traumwelten flieht. Das ist für mich ungewohnt, zumal ich ja ganz alleine im Ausland bin.


In meinem Kopf melden sich die Antreiber:
,,Du MUSST jetzt alles hier entdecken!“
,,Du MUSST viele Fotos machen!“
,,Du MUSST Postkarten kaufen!“
,,Du MUSST Schreiben!“
,,Du MUSST jetzt ALLES ganz intensiv erleben!“
,,Du MUSST Dich mit der Geschichte Kopers auseinandersetzen!“

Stattdessen flaniere ich am Marina-Hafen entlang. Ich verstehe mich besser und besser. Als ich klein war, wollte ich mich immer ausdrücken, aber niemand hat mich verstanden. Ich war schon früh von der Möglickeit des Publizierens fasziniert. Einmal sah ich eine Art Druckerei für Kinder und wollte so etwas unbedingt haben! Natürlich bekam ich so etwas nicht. Die Vorstellung aber, meine Gedanken in die Welt zu tragen (ob sie die nun interessiert oder nicht), blieb in mir.

Kein Wunder, dass ich das Internet so sehr für seine Möglichkeiten liebe. Ich würde gerne Fotos posten, Zeichnungen veröffentlichen, Bloggen und Podcasten gleichzeitig. Das ist natürlich Quatsch – außer, ich würde einen Beruf daraus machen. Allerdings ist auch der Quell in mir nicht unerschöpflich.

Also probiere ich hier und dort ein wenig herum. Vielleicht reaktiviere ich demnächst (mal wieder) den Podcast. Ein paar Fotos gibt es hier ja auch ab und an mal (wenngleich ich kein guter Fotograph bin).

Das sind so Gedanken, die ich habe, während ich an der Adria entlang laufe.

Am Marina-Hafen ist so eine Art festlicher Markt, der gerade aufgebaut wird. Im Hintergrund läuft Kinderbelustigungsmusik ohne Text. Ich erkenne die Melodie! Es handelt sich um ,,Wenn die Slipeinlage gut sitzt“ von Vater Abraham.

Eine Beobachtung, die ich auch schon in Kroatien gemacht habe: Meist ältere Herren, die morgens (acht oder neuen Uhr) im Café sitzen und Bier (mit Alkohol) trinken. In Deutschland wäre so etwas außerhalb von Trinkerbuden rund um den Bahnhof eher undenkbar.

Gässchen-Hopping in der Altstadt. Es gibt ein paar Hauptadern, auf denen sich mehr und mehr Touristen drubbeln, daneben lauschige Gassen. Hier ist noch nicht alles von internationalen Ketten übernommen wie in Pula: Es gibt nicht einziges Fachgeschäft für Gummi-Enten hier (in Pula gibt es davon zwei!).

Postkarten und den obligatorischen Kühlschrankmagneten kaufe ich mehr oder weniger nebenei.

Pause an einem zentralen Platz. Was ist jetzt wichtig? Zum einen möchte ich noch Sprudelwasser und vielleicht auch etwas alkoholfreies Bier für abends kaufen, dabei an Kleingeld kommen. Dann muss ich den ,,Tito-Platz“ finden, auf dem ich mich später mit dem Thronfolger treffen will.

Ich schaue mich um und sehe erst einen ,,Mercator“-Supermarkt, dann ein Straßenschild. Suchen brauche ich also nichts mehr.

Im ,,Mercator“ kaufe ich ein Radler, ein Lasko- und ein Union-Bier. Im Kassenbereich komme ich den SB-Kassen zu nahe, die mich daraufhin alle auf slowenisch ansprechen. Eine alptraumhafte Situation: Künstliche Frauenstimmen reden in einer fremden Sprache auf mich ein.

Mittags ein Thunfisch-Sandwich im ,,Bife“. Ich beglückwünsche mich selber für die Wahl der Unterkunft, denn ich kann immer mal wieder dort einkehren, um mich auszuruhen usw.

Das Sandwich ist recht einfach mit Käse und Fisch getoastet, kostet 3,60 Euro. Ein einfacher Snack zur Mittagszeit. Die Preise sind hier auch sonst recht zivil, obwohl es sich um einen Touristenort handelt.


Ich traue mich, die Kellnerin im „Bife“ zu fragen, wie man hier Trinkgeld gibt. Sie erklärt: Wie auch in Kroatien. Der Gast zahlt und lässt das Trinkgeld auf dem Tisch zurück

Lobenswert, dass es hier an den Plätzen und auch am Meer zahlreiche Sitzgelegenheiten gibt.

Ich sie am Tito-Platz und schaue den Leuten zu. Hier sind übrigens nahezu alle Sehenswürdigkeiten versammelt: Die Kathedrale, der Prätorianerpalast (Touri-Info, Stadtverwaltung) und das Waffen-Arsenal (Universität).


Ich treffe den Thronfolger am Tito-Platz. Große Freude!

Wir besuchen zusammen das Regionalmuseum von Koper. Leider erschließt sich mir die Dauerausstellung nicht. Vielleicht bin ich zu sehr an chronologisch sortierte Ausstellungen gewöhnt, aber hier entdecke ich kein wirkliches Konzept. Mal sind Exponate nach einem bestimmten Thema zusammengestellt. Allerdings komme ich dann immer mit den Zeiten durcheinander. Mir fehlt ja als Fremder der Gesamt-Zusammenhang. Oder es sind doch vage zeitliche Sortierungen zu erkennen. Aber allein das Gebäude (ein Palast im venezianischen Stil) ist das Eintrittsgeld wert. Dann gibt es aber auch noch eine Sonderausstellung über den slowenischen Maler Tone Kralj (1900 – 1975). Der Maler hat im Untergrund Bilder gegen den Faschismus gemalt. Die Bilder musste er verstecken. Einmal ist er aufgeflogen. Die Faschisten haben ihn und seine Frau mitgenommen, es wurden Leute erschossen, die zwölfjährige Tochter von Kralj und seiner Frau stand alleine mit einem Baby in den Armen (das Kind einer Verwandten) auf der Straße. Eine Familie hat sich den Kindern dann angenommen. Das Mädchen ist dann nachts zurück zur Wohnung, hat Bilder aus ihren Verstecken gezogen und über den Zaun auf das Nachbargrundstück geworfen und hat auf diese Weise einige Kunsterke gerettet. (Wiedergabe aus dem Gedächtnis)

Übrigens: Die italienischen Faschisten haben sich in Istrien wohl wie Sau benommen – die deutsche Wehrmacht hat allerdings wie der Teufel gewütet. Es ist zum Kotzen, welch tiefen Gräben der deutsche Wahn hinterlassen hat.

Doch auch bei uns geht das Leben weiter. Der Thronfolger und ich haben Hunger auf Pizza und so führe ich ihn zur Pizzeria Marina (liegt quasi um die Ecke wie fast alles hier in der Altstadt). Vor der Pizza gönnen wir uns erst einmal ein Bier: Er eines vom Faß, ich ein Union 0,0%. Das erfrischt!

Nach der Pizza dann ein Spaziergang am Meer entlang. Der Markt vom Morgen entpuppt sich als ein Süßigkeitenfest mit lokalen Spezialitäten. Überzuckerte Kinder drehen durch.

Später probieren wir auch lokale süße Spezialitäten, nämlich Cockta. Das Zeug schmeckt wie Almdudler als Cola. Den Hagebuttengeschmack erkenne ich erst im Nachhinein beim Lesen des Wikipedia-Artikels). Für mich viel, viel zu süß. Dann noch ein Schluck – Achtung! – ,,Pipi“, ein Orangenlimonade aus Kroatien. Der Geschmack erinnert mich an die günstige Limonade aus meiner Kindheit (,,gelber Sprudel“).

Wir drehen noch eine Runde. Gerne würde ich im ,,Lord Byron“ ein paar Guinness trinken, aber das geht ja nicht mehr. Vielleicht erlebe ich ja noch alkohlfreies Guinness vom Fass.

Verabschiedung vor meinem Hostel. Es ziehen Regenschauer übers Land und es wird kühl. Morgen wollen wir uns zum Mittagessen treffen.

Auf dem Zimmerchen verblogge ich noch den Tag und trinke ein Lasko 0,0%. Es schmeckt mir nicht.


Blick übers Meer auf den Hafen Koper
Blick auf den Hafen Koper

Blick vom Tito-Platz zum Hafen: Alte Gebäude und moderne Kräne
Alt und neu

Blick in eine Gasse der Altstadt in Koper
Altstadtgasse wie nach Vorschrift

Yachthafen Koper. Boote liegen im Wasser.
Marina Koper

Ein Containerschiff vor den Kränen des Hafens Koper.
Hafen Koper

Cockta – die Kräuterlimonade aus dem alten Jugoslawien

Schild mit Aufschrift: ,,Ribja Kantina''
,,Ribja Kantina“ ist nicht der Name des Restaurants, sondern heißt einfach nur ,,Fisch-Restaurant“

Eingangstür des Pubs ,,Lord Byron''
Der ,,Lord-Byron“-Pub