Sehr unruhige Nacht. Aufmerksame Lesefröschlein werden ein Muster erkennen.
Mir träumt, ich bin auf einem Konzert der Rockband ,,Wechselstrom/Gleichstrom“. Der Veranstalter ist ein psychopathischer Terrorist. Doch dann kommen andere Terroristen mit einem Mädchen auf der Bühne. Sie bedrohen alle mit ihren Waffen. Das lässt sich der Veranstalter nicht bieten und eine wilde Schießerei beginnt.
Ich stehe noch vor dem Weckerklingeln auf. Die Nervosität ist wieder da. Für die Fahrt nach Villach habe ich keine Platzreservierung und hoffe, dass alles glatt geht.
Einerseits wäre ich gerne länger hier geblieben und hätte die Stadt erforscht. Andererseits möchte ich auch mal wieder in meinem eigenen ,,Riechtwieich“ (Ringelnatz) schlafen.
Warten auf den Zug nach Österreich. Überall in Ljubljana gibt es Sperlinge. Feldsperlinge, wie ich vermute. Sobald man irgendwo sitzt, kommt mindestens einer von ihnen angehüpft.
Morgens kaufe ich mir in einer Bäckerei ein „Sendrich“ (das Wort bezeichnet hier auch belegte Brötchen) mit Tomate und Mozarella sowie eins der von mir sehr geschätzten Käse-Börek. Das das Börek so schön warm ist, esse ich es sofort zum Frühstück.
Der EC nach Villach hat 20 Minuten Verspätung. Die Minutenzahl mittele ich aus den 19 Minuten Verspätung auf der Anzeigetafel und den 23 Minuten Verspätung laut Lautsprecherdurchsage.
Der Zug ist mäßig voll. Es ist wieder einer aus den 80 er Jahren. Der Einstieg mit meinem schweren Rucksack fällt mir nicht leicht. Wie soll das Menschen schaffen, deren Mobilität noch mehr eingeschränkt ist. Gedanken zu Barrierefreiheit.
Viele Fahrgäste blockieren Plätze mit ihrem Gepäck obwohl die Gepäckablagen noch frei sind. Liegt das am Egoismus der Reisenden oder an den inzwischen üblichen absurd großen Koffern?
Die Landschaft Sloweniens versteckt sich heute hinter Nebel und Regen.
Wälder, Berge, Täler. Nebel hängt in den Wipfeln wie Rauch. Ein Ehepaar entert mein Abteil. Beide sind seltsam zerknittert. Sie ignorieren mich vollkommen. Der Mann räumt übrigens das Gepäck in die dafür vorgesehene Ablage. Vielleicht haben die sich ja auch über die blockierten Sitze in den anderen Abteilen geärgert. Sie sprechen sehr leise, trotzdem hört man gut, dass die beiden Amerikaner sind. Erstaunlich, wie viele Amerikaner Slowenien mit dem Zug bereisen! Ist dieses Land Teil der amerikanischen „Grand Tour“?
Nach dem die anfängliche Aufregung in mir verflogen ist, stellt sich wieder diese Reise- Entspannung ein. Ich hoffe, sie hält noch eine Weile an, bevor ich wieder in den „Deutsche Bahn-Rage-Mode“ verfalle.
Grenzkontrolle in Jesenice. Ich werde natürlich mal wieder nicht nach meinem Ausweis gefragt. Dafür sehe ich zu harmlos aus und außerdem ist meine Haut viel zu hell. Vielleicht habe ich ja an der Grenze zu Deutschland mehr Glück und werde so richtig durchkontrolliert!
Der Umstieg in Villach klappt, da der EC wartet. Ich steige direkt in den richtigen Wagen ein. Hier herrscht ein unglaublicher Trubel, denn alle wollen rein und viele Leute haben keine Reservierung. Speziell die erste Klasse ist voll. Es wird wieder viel US-amerikanisches Englisch gesprochen. Ein älteres Ehepaar grantelt auf östereichisch herum. Sie haben keine Reservierung und finden es doof, dass es keinen Platz für sie gibt. Der Mann ist allerdings so sehr damit beschäftigt, seine Frau zu beruhigen, dass er kaum dazu kommt, sich selber angemessen zu ärgern. Nachdem er die bezaubernde Zugbegleiterin vollgelabert hat, schaut er in der zweiten Klasse nach freien Plätzen. Kurz darauf ziehen sie um, denn im hinteren Teil des Zuges ist noch reichlich Platz. Die Zugbegleiter geben sich viel Mühe, alle Fahrgäste unterzubringen.
Ich bin froh um meinen einzelnen Sitzplatz. Der Klapptisch ist sehr groß und ich kann sogar die Tastatur des reMarkable benutzen.
Der Zug hält und die neuen Fahrgäste staunen wie kleine Kinder, wenn sie die Reservierungszettel über den Sitzen inspizieren.
Salzburg scheint ja auch ganz schön zu sein. Dort war ich mal als Kind, kann mich aber kaum noch an die Stadt erinnern.
Ich lese ein wenig und höre Podcasts. Zu mehr fehlt mir die Energie.
Der Kaffee von der mobilen Snackbar schmeckt mir wieder gut. Bekomme Lust auf Fast Food.
Nach den alten Zügen fühlt sich der ICE (ein ICE 3?) an wie ein Raumschiff. Es ist ein bequemes Raumschiff! So sehr in mir langsam der Wunsch nach Zuhause wächst, so sehr bin ich zufrieden mit der zusätzlich Übernachtung in Nürnberg. Ich freue mich schon darauf, gleich noch eine Runde durch die Stadt zu drehen.
Langsam werde ich dünnhäutig, kann die Menschen um mich herum nicht mehr recht ignorieren.
Ich könnte nachher etwas essen oder diesen Abend wieder (wie gestern) fasten. Irgendwie weiß ich noch nicht. Jetzt spüre ich die seelische Erschöpfung doch sehr deutlich.
In Nürnberg angekommen, checke ich erst einmal im Hotel ein. Es fühlt sich gut an, diese bekannte Umgebung!
Dann gehe ich ins Restaurant ,,Zum Goldenen Bogen“ und esse viel zu viel. Das sofort aufkeimende schlechte Gewissen versuche ich zu beruhigen: Es war ja auch viel in den letzten Tagen. Außerdem habe ich sonst ja alles richtig gemacht, z.B. nach fetten Mahlzeiten gefastet. Ich muss stark aufpassen, dass das mit meiner Essstörung nicht einen ungesunden Weg nimmt. Morgen oder übermorgen werde ich mich dann wieder wiegen .
Ich mache noch einen kleinen Spaziergang und kaufe Postkarten. Allerdings bin ich dann doch so kaputt, dass ich lieber ins Hotel gehe. Nach einer Dusche schreibe ich noch die Karten.
Während der Zugfahrten trinke ich wenig, um nicht so häufig auf die Toilette zu müssen. Abends versuche ich dann, möglichst viel davon nachzuholen, um wenigstens die Nieren durchzuspülen. Ab Morgen wird alles wieder normal werden. Reisen sind schön, aber sollten auch mal zu Ende gehen!
Meine Gedanken fliegen fort zu den Gipfeln der Berge. Sie durchstoßen den Nebel und krallen sich in den Steinen fest. Es ist kalt hier oben, aber der Wind beißt mich nicht, denn wir sind ja Freunde. Selbst wenn er es täte, käme er niemals durch die dicken Schuppen meiner Haut.
Früh zu Bett.


