Kieselblog

Flusskiesels Tagebuch

2025-04-04 Freitag

Nacht

Mittelgute Nacht, die Erschöpfung nagelt mich an die Matratze.

Der Traum ist mir nach der morgendlichen Meditation wie eine Forelle aus den Fingern geflutscht.

Morgen

Ich bleibe bis ungefähr sechs Uhr liegen, denn ich bin noch ganz schön kaputt. Gestern habe ich dann wohl doch über 20.000 Schritte gemacht und ich habe etwas Muskelkater. Gottseidank ist Freitag und Gottseidank habe ich Homeoffice! Ich habe mich selten so sehr über einen Tag in Heimarbeit gefreut wie heute.

Menschenbeobachtungen

Der Bahnsteig ist voll. Ein paar Jugendliche käbbeln herum. Sie haben T-Shirts an, auf denen etwas mit ,,Narcos“ steht.

Ein älterer Herr im Anzug lässt mich widerwillig neben sich. Er murmelt, dass sich die meisten der anderen Fahrgäste kein Ticket für die erste Klasse hätten. Ich lächle.

In Dortmund steht eine dünne Frau mit langen Haaren und sehr, sehr vielen Tätowierungen auf Aufgang zum Bahnsteig. Sie telefoniert und ruft lachend ,,Ja, ja“ in ihr Telefon. Sie hat Hasenzähne.

Eine junge Frau steht oben am Gleis. Sie raucht, trinkt eine Dose Bier und trägt überraschenderweise eine Weihnachtsmannmütze, dazu ein T-Shirt vom Fußballverein BVB. Sie wirft die Zigarette zu Boden und geht weg. Als ich schon im Zug sitze und auf die Abfahrt warte (Zugteilung in Brilon), läuft sie den Bahnsteig auf und ab. Sie redet laut mit jemandem, den wohl nur sie sehen kann. Ihr Blick erinnert mich an jemanden. Überall sehe ich Gespenster.

Übergangs-Übergangsjacke

Die Tage werden nun frühlingshaft warm, die Nächte sind aber weiterhin winterlich frisch. Die dickere Übergangsjacke, welche mir Lars ja letztens geschenkt hat, wird jetzt zu dick. Da finde ich im Schrank noch eine Lederjacke, unter die ich noch einen dünnen Hoodie tragen kann. Diese Jacke passt mir jetzt auch wieder, was mich weiter froh macht.

Sauber!

Auf der Arbeit ist ein neues Firefox-Update reingerauscht. Wenn man jetzt einen Link in die Zwischenablage kopieren will, hat man nun die Wahl zwischen ,,Link kopieren‘‘ und ,,sauberen Link kopieren‘‘ (Hervorhebung von mir).

Ich fühle mich gleich viel hygienischer beim Kopieren von URLs schmutziger Seiten.

Emotionen

Ich ärgere mich über die Anspruchshaltung, die jemand auf der Arbeit gegenüber unserem Team hat. Nachdem ich mich und uns erfolgreich abgegrenzt habe, steigt in mir das altbekannte schlechte Gewissen hoch. Inhaltlich bin ich im Recht, aber die Angst, nicht Jedermanns Liebling zu sein, ist noch immer sehr groß.

Ich versuche, mich nicht über meine Ängste zu ärgern. Was soll schon passieren, wenn jemand mal sauer auf mich ist?

Das richtige Wort

Letztens habe ich einen mir sehr lieben Menschen getroffen, der jetzt nur noch so vor sich hinlebt. Er isst immer das Gleiche, verbringt seine Tage vor dem Fernseher. Immerhin liest er noch regelmäßig Zeitung. Sonst passiert wohl nicht mehr viel. Mir wollte die ganze Zeit nicht der richtige Begriff dafür einfallen, aber jetzt kam das Wort doch nach oben geschwemmt im großen Suppentopf meiner Gedanken: Trostlos. Es erscheint mir so trostlos.

Dem lieben Menschen scheint das aber nicht zu stören. Er lebt nahezu bedürfnislos auf sein Lebensende hin.

Wölfe, Falken und die Götter der Serendipität

Ich google mal etwas auf (wie man es im Bohnigen Wachmacher sagt) und finde dabei zufällig die BBC-Serie ,,Wölfe’’, welche auf dem gleichnamigen Roman von Hilary Manton beruht. Dabei erfahre ich, dass es von diesem hervorragenden historischen Roman auch eine Fortsetzung mit dem Titel ,,Falken’’ gibt.

Großartig!

5 Antworten

  1. Diese Sache mit der Trostlosigkeit: Ich überlege, ob sich das so verhält wie der Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit. Also, dass es am Ende eine Frage des eigenen Empfindens sein sollte, ob eine Person in dieser Situation zufrieden ist.

    Ich kannte mal jemanden, der lebte ebenfalls so ein Leben, ich fand es fürchterlich trostlos und auch einsam. Die Wohnung war simpel, herzlos und funktional eingerichtet, nicht ungemütlich aber beileibe auch nicht wohnlich. Ungeheizt auch noch. Kontakte hatte die Person fast ausschließlich im Büro. Urlaube mochte sie darum nicht, weil die einzige sinnstiftende Aktivität dann ausgesetzt wurde. Mir tat die Person früher immer leid, inzwischen frage ich mich, ob sie vielleicht so etwas wie ein introvertierter Eremit war, keine Ahnung.

    Will sagen: Vielleicht scheint es von außen anders, aber möglicherweise fühlt sich dein Bekannter in der trostlosen Umgebung wohl, weil sie das für ihn gar nicht ist. Es kann aber natürlich auch sein, dass er sich mehr Farbe im Leben wünscht, das aber nicht geregelt bekommt.

    Hm.

    1. Markus Becker

      Das hoffe ich für diesen Menschen sehr, allerdings habe ich die Befürchtung, dass er einfach nie gelernt hat, was er eigentlich will und was nicht. Er hat halt funktioniert, getan, ,,was ein Mann tun muss“.

      Jetzt ist er nach einem großen Verlust alleine und es wirkt auf mich, als ob er einfach nur darauf wartet, dass es zu Ende geht.

      Allerdings kann ich mich auch täuschen und das wäre ja wahrscheinlich auch gut so.

      So ein bedürfnisloser Eremit zu sein, stelle ich mir sehr schön vor. Ich bin ja selber so sehr gefangen in mir selber, dass es mir schwer fällt. Allerdings habe ich letztens einen kleinen Glitzerstein der Bedürfnislosigkeit gefunden, als ich im Supermarkt stand und nicht wusste, was ich kaufen sollte, denn ich brauchte ja nichts. Gekauft habe ich dann ja das kleine Geschenk, das so gut angekommen ist.

      1. Klären kann man das mit solchen Menschen wahrscheinlich nicht. Ich habe bei dieser bekannten Person auch nie den richtigen Weg gefunden, das zu fragen.

        Schön stelle ich mir das vor, wenn man feststellt, dass gerade alles im Lot ist, oder sagen wir, alles Wesentliche. Wenn man im Laden nichts braucht, keinen Wunsch nach Internetpunkten verspürt und – Knaller – wenn die Gesundheit auch noch mitspielt. Eventuell würde ich mich vor Zufriedenheit einfach auflösen, aber glücklicherweise tut ja immer was weh oder ist ein Konflikt zu bearbeiten 😉

        1. Markus Becker

          Ich glaube auch nicht, dass man das mit dem Menschen klären kann. Vielleicht hier und da eine Aktivierung anbieten.

          ,,Sich vor Zufriedenheit auflösen“ – ist das vielleicht das Nirvana, von dem die Buddhisten sprechen? 😉

          1. Zu wünschen wäre es ihnen (und uns) jedenfalls.

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