2023-01-09

Montag, 09.01.2023 – Urlaub auf Sylt, Tag 3

Die Nacht

Schlaf wieder unruhig. Das kleine Fenster meines Alkoven-Bettes mache ich zur Pupsentlüftung. In den frühen Morgenstunden höre ich den gurrenden Tauben zu, die wohl unweit meines Fensterchens sitzen. Beim Schrei der Möwen stehe ich auf.

Der Tag

Kantinenleben

Nach einer ausgiebigen Dusche (so etwas Tolles habe ich daheim nicht!) wackele ich gemütlich zum Bahnhof Westerland. Dort in der Nähe gibt es nämlich ,,Susi’s Sylt Kantine‘’ und dort möchte ich frühstücken und mal schauen, wie das dort so ist. Mir kommt nämlich die Idee, dass ich am Abreisetag hier zu Mittag essen könnte.

Was soll ich sagen? Genau mein Laden!

Obwohl der Raum offensichtlich mal eine Firmenkantine (vielleicht von der Bahn?) war, hat Frau Brammsen alles liebevoll eingerichtet. Alles ist auf unprätentiöse Art gemütlich.

Nachdem ich mich ein wenig orientiert habe, esse ich Spiegeleier mit Speck auf Schwarzbrot. Dazu gibt es Kaffee.

Das alles erinnert mich ein wenig an die (von uns so genannte) ,,DDR-Kantine auf dem Gelände, wo sich auch der Campus der TH Wildau befindet. Wenn die viel zu kleine Mensa mal wieder hoffnungsvoll überfüllt war, ging ich gerne in diese von einem Catering-Unternehmen geführte öffentliche Kantine. Dort saß man dann zusammen mit Handwerkern und Arbeitern beim Essen – eine wohltuende Abwechslung! Die Leute dort waren sehr, sehr nett, das Essen günstig, deftig und lecker und was die Einrichtung angeht, möchte ich meine Kommilitonin A. zitieren, welche die Arbeitswelt in der DDR noch aus der eigenen Erfahrung kennt:
,,Das ist hier genau wie früher!‘’

Schön, dass es so etwas wie die Susi’s Kantine (der Apostroph würde eigentlich auch gut in den Osten passen … hüstel) noch gibt. Unsere ,,DDR-Kantine‘’ scheint es wohl nicht mehr zu geben.

Nachmittag und Abend: Tu felix Austria

Nachmittags wieder ans Meer. Die Wellen branden stärker ans Ufer als sonst. Ein Bagger fährt Sand an den Strand.

Kurz entschlossen kehre ich auf ein Bier in die kleine Kneipe ,,Kök‘’ ein. Hier sah ich am Ankunftsabend noch die Senioren fliegen. Nun ist es wesentlich ruhiger.

Was soll ich sagen? Würde man diese Kneipe mit allem, was dazugehört (Einrichtung, KöPi, die Typen an der Theke und Andrea Berg) aus Westerland herausschneiden und nach Duisburg-Meiderich verfrachten – niemand würde etwas bemerken.

Außer vielleicht, dass die Leute plötzlich ,,Moin!‘’ sagen, wenn jemand reinkommt.

Später sitze ich noch im ,,nördlichsten Irish Pub Deutschlands‘’. Die Einrichtung ist sehr ledrig. Es wird geraucht.

Neben mir sind da: Zwei Typen und ein Pärchen. Schnell stellt sich heraus, dass die Frau des Pärchens und die beiden Typen sich als Österreicher erkennen. Es entspinnen sich recht breitflächige Gespräche über den Verkauf von Wohnungen, den Geschäften (der eine hat wohl einen Stand für Spirituosen, der andere für Wurst) und natürlich über die ,,Oooooooosländer!‘’, welche ab 2014 angeblich Deutschland geflutet und sich dann auf Kosten der dummen Deutschen einen Lenz gemacht haben – das alles in einem Dialekt zum Reinschlagen.

Müssen Österreicher eigentlich immer alle Klischees über sie erfüllen?

Die zwei haideresken Austriaken (das Pärchen hat sich längst verzogen) bölken noch ein wenig herum. Als sie langsam genug gebölkt und vor allen Dingen auch getrunken haben, fragen sie den Barkeeper mit dem islamischen Vornamen, wo er denn herkomme. So langsam kommt ihnen nämlich der Verdacht, dass dieser große, schlanke, ruhige Mann mit den tiefschwarzen Haaren, dem ebenso schwarzen Bart sowie den dunklen Augen irgendwie nicht wirklich friesisch aussieht.

,,Ich komme aus Syrien!‘’ sagt er leise und auf die Frage ,,Seit wann bist Du hier?‘’ antwortet er: ,,Seit 2015‘’.

Dann zahlen diese beiden Alpensterne ihre Rechnung und gehen fast schon übertrieben freundlich ihrer Wege. Vielleicht hilft dabei auch die Anwesenheit des Wirtes, es wohl als Kind in einen Kessel mit Proteinshakes gefallen ist und der sich danach durch einen Wald von Tätowiernadeln gerollt hat.

Schnell trinke ich noch ein Guinness und meine Geduld wird belohnt: Zwei waschechte Schnösel kommen herein! Junge, recht hübsche Typen mit Vollmützen auf dem Kopf (einer behält seine die ganze an). Sie tragen viele Ringe und reden mit sanfter, leiser Stimme. Einer trägt eine Art Hemd mit Manschettenknöpfe. Sie sehen derart künstlich aus, wie sie ihr eines Bierchen trinken und dabei eine Selbstgedrehte rauchen, dass ich mir sicher bin: Diese beiden Luxusgeschöpfe wurden von Mama und Papa auf diese Insel gebracht!

Ein schöner Abend!


Dieses leicht verschämte Anlächeln an der McDonald’s-Spätausgabe.

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