Sonntag, 19.02.2023 – Heimfahrt
Inhalt
Die Nacht
Schlecht geschlafen. Ich war doch sehr aufgeregt wegen der bevorstehenden Heimfahrt. Auf der Straße vor dem Hotel wurde viel gebölkt. Gegen drei Uhr morgens sang einer sehr schief und laut.
Traum: Cosplay in der Schützenhalle
Mir träumte, ich wäre bei meinen Eltern zu Besuch. Meine Mutter wollte für mich und noch einige andere Leute Frühstück machen und deckte festlich den Tisch. Die Wunderschöne war auch da, doch ich sah sie nur durch ein Fenster, weil sie draußen die Post sortierte.
Ich jedoch wollte noch schnell meinen Samuraihelm abholen, der in einem Spind bei den Fantasy-Fans lag, also ging ich mit meinen Badeschlappen über die feuchte Wiese in den nahen Wald, immer bedacht, nicht auszurutschen auf dem nassen Grunde.
Die Fantasy-Fans waren jedoch ausgeflogen, denn sie veranstalteten in der Schützenhalle eine Convention und da sich ja viele Leute dort umziehen mussten, hatten sie die Spinde mitgenommen.
Also machte ich mich auf den Weg zur Schützenhalle und tatsächlich herrschte ein großer Trubel hier. Viele Stände boten Fantasyzubehör, Stoffe, Schminke und andere Dinge feil. Die Gänge waren leider sehr eng und es wurden hier viele Speerwurf- und Pfeilschusswettbewerbe ausgetragen, weswegen man sehr gut auf sich aufpassen musste. Irgendwann fand ich die Spinde, die jedoch nicht nach Nummern sortiert waren. Als ich endlich mein Schließfach öffnete, war ich enttäuscht, denn mein Helm war nicht darin.
Die ganze Zeit rechnete ich damit, der Wunderschönen zu begegnen, doch sie musste ja noch die Post machen!
Auf dem Weg nach draußen traf ich meinen Sandkastenfreund P., der mit seiner Frau B. einen Stand hatten. Er erzählte, dass die beiden einen Laden zur Video-Digitalisierung eröffnen wollten und ich schrieb einen auf einer bereitstehenden Schreibmaschine einen Segensbrief.
Draußen musste ich feststellen, dass der Feldweg zu meinem Elternhaus verschwunden war. Offensichtlich hatte ihn ein Bauer mit untergepflügt. Fluchend lief ich über das frisch gepflügte Feld.
Männer auf Pferden kamen mir entgegen. Sie waren ganz toll als schwarze Ritter verkleidet und trugen sehr aufwändige Rüstungen. In den Händen hielten sie Lanzen. Sie ritten an mir vorbei und grüßten freundlich. Ihnen folgte eine Gruppe ebenfalls schwarz gepanzerter Fußsoldaten, die jedoch statt mit Speeren mit Schaufeln ausgerüstet waren. Unter lauten Kommandos gruben sie synchron das Feld um, bis die endlich den verschütteten Feldweg wiederfanden.
Alle freuten sich sehr.
Saarbrücken Hauptbahnhof
Aus dem ,,Gleis 50‘’ dröhnt laute Musik. Der Barkeeper aus dem Kiosk von Freitag steht mit anderen Typen vor der Kneipe und trinkt. Viele Betrunkene sind unterwegs. Ein schmaler Mann geht auf und ab und redet laut mit sich selber.
Eine attraktive, junge Frau ist auch ganz schön angeschickert. Sie trägt sexy Netzstrümpfe und geht mit zwei Typen mit.
Am Bahnsteig unterhält sich ein älterer Herr mit einer ebenso älteren Dame. Er kommt von Kaiserslautern und fährt heute mit dem Nahverkehr (!) bis Lehr (!) mit dem ,,Quer-durchs-Land-Ticket‘’. Ich bin ehrlich beeindruckt, da ich schon bei den fünf Stunden bis Duisburg ins Jammern gerate.
Zugfahrt
Ich bekomme einen schönen Platz mit einem Tisch. Wir halten in Völklingen und ich erinnere mich daran, wie die beste Ex-Frau von allen vor zwanzig Jahren hier weilten. Sie nahm für ein Fernstudium an einer Präsenzveranstaltung teil und ich besichtigte die Völklinger Hütte. Dieses Bauwerk ist so dermaßen beeindruckend, dass seine Wirkung noch bis heute in mir nachhallt.
Völklingen wirkte auf mich damals wie eine riesige Eisenhütte mit einem bisschen Stadt als Anhang. Der Strukturwandel hat hier auf hässliche Art und Weise zugeschlagen, denn es gab viel Armut zu sehen.
Tags darauf fuhren wir nach Saarlouis (wo auch mein Zug gerade hält). Eine Haltestelle weiter standen wir staunend inmitten eines quirligen Städtchens mit Altstadt, Kopfsteinpflaster und den alten Festungswällen, in deren Kasematten Restaurants und Kneipen lockten. Viel mehr Kontrast war kaum möglich.
Die Saar bindet schöne Schleifen. Der Zug fährt durch das Flusstal und drohend bauen Felsen sich längs des Weges auf. Eine Schotterfabrik wartet stumm auf ein Filmteam, denn die Kulisse mit dem mächtigen Stein scheint wie geschaffen für einen Science-Fiction-Film (allerdings für einen ziemlich billigen).
Die Dörfer, an denen wir vorbeifahren, sehen auf ordentliche Art und Weise verfallen aus. Die Fenster schauen uns sehnsüchtig nach. Hier möchte man nicht Jugendlicher sein.
Wo Weinberge protzen, sind die Dörfer ordentlich und adrett. Alles schön verputzt und geweißelt. Solarzellen auf den verantwortungsbewussten Dächern. Ein Mann joggt in Signalkleidung den Fluss entlang. Er sieht aus wie ein Treiber auf der Flucht. Die Zeit der blauen Säufernasen scheint auch hier vorbei zu sein.
Cochem an der Mosel. Hier ist alles, alles Wein. Schieferdächer mit Moos und in den engen Gassen dazwischen torkeln ältere Herren selig vom Regen in die Traufe. Hier sind die Nasen so bunt, dass hier jeden Tag im Jahr Karneval ist. Jedes Fleckchen Berg wird zur Gewinnung süßen Alkohols genutzt. Nur auf den Spitzen der Berge stehen Kapellen, in denen man um Vergebung der Sünden betet, die man im Rausche begangen hat. Hier ist das Leben noch in Ordnung, hier gehört der Schoppen schon morgens auf den Tisch! Erst greift der Hauswirt der Reinigungsfrau frisch unter den Rock, dann verstirbt er fröhlich an seinen verkalkten Arterien. Immerhin ist er dabei so voll, dass er von seinen platzenden Adern nichts mehr mitbekommt.
Der Umstieg in Koblenz klappt prima. Ich fahre heute fast immer von Endhaltestelle zu Endhaltestelle.
Kurz hinter Bonn: Narren steigen ein. Tussis kichern. Alkoholschwaden in der Luft. Meine Sauflust geht gerade gegen Null.
Beim Gedanken an das Zuhause kommt sie doch ein wenig, die Trinklust. Ich will mich hängen lassen.
Alkohol als Komfortzone.
Köln Süd: Große Schilder am Bahnsteig. ,,Hier KEIN Ausgang zur Südstadt‘’. Viele leere Flaschen. Die Stimmung im Zug ist ruhig.
Wenn ich im Zug bis Oberhausen sitzen bleiben würde, würde ich zwei Züge von der ersten bis zur letzten Haltestelle durchfahren. So lustig finde ich die Idee dann aber doch nicht und steige in Duisburg aus.
Daheim bestelle ich mir eine Pizza und mache ich daran, Cloudron zu installieren. Ich bin allerdings ganz schön aus dem Thema raus und muss dabei sogar einfachste Linux-Befehle nachschlagen. Mit der Hilfe von Lars bekomme ich das aber alles hin und kann ein paar Apps auf dem Server ausprobieren, bzw. jetzt endlich selber hosten (z.B. Wallabag – ein Artikel-später-lesen-Werkzeug) oder auch FreshRSS (mein Feedreader, den ich eigentlich fast nur noch als Hub für mehrere Endgeräte nutze), dass bisher mehr schlecht als recht auf einem shared-hosting-Webserver mit nur sehr eingeschränkten Möglichkeiten läuft.
Das klappt alles sehr, sehr gut und freut mich – allerdings wird es auch spät: Gegen 23 Uhr falle ich ins Bett.
Podcast
Aus dem Internet
Er war nicht gut drauf an diesem Tag, etwas war anders geworden. Aus einem gestandenen Kobold und Stehaufmännchen war ein trauriger kleiner Mann geworden. Depressionen, Alkohol-Exzesse, Einsamkeit hatten ihm zugesetzt. Einsamkeit an sich ist schon ein strenges Geschäft, aber der Alkohol schafft jeden. Der Alkohol, die Einsamkeit und die Depression. Der Dreisatz des Alterns.