Aus dem Archiv: Der große Baum

Nicht weit von hier gibt es ein kleines Wäldchen. Die Bäume ducken sich zusammen gegen den Herbstwind, der über die Felder streicht und das Buschwerk um seinen Rand ist nahezu undurchdringlich für einen erwachsenen Menschen.

Wir sind über einen der Feldwege gegangen oder vielleicht sind wir auch mit dem Fahrrad gefahren. Wenn wir das Fahrrad an der alten Holzbank am Waldrand abstellen und ein Stück um den kleinen Wald herumgehen, dann halten wir gehörigen Abstand zu den drohenden Dornen der Brombeerbüsche, die den Wald wie ein Wall umgeben.

Doch wenn man auf der Rückseite des Waldes angekommen ist, gibt es dort eine Stelle, die so wirkt als würde sie sich vor dem Feldweg und der Bank dort verstecken. Dort gibt es eine Lücke im Wall und sogar ein wenig Gras wächst auf dem Boden des Waldes.

Hier liegt kein Müll herum, kein Landstreicher kommt hier hin – nicht einmal der Bauer, der die Felder ringsherum beackert.

Wir stehen nun vor dem Tor zum Wald und sind uns unsicher. Steht es einladend offen? Oder liegt zwischen den Stämmen der Bäume auch eine stumme Drohung?

Die Rinden der Birken leuchten ein wenig im Licht der Sonne, die nun aus den Wolken bricht und uns und den Wald bescheint. Wir fassen uns ein Herz und treten ein.

Der Geruch der Felder und des frischen Windes verschwindet abrupt und ein leichter Moder nimmt nun seinen Platz ein.

Wir gehen weiter über altes Laub und das Gras auf dem Boden wird nun spärlicher. Trotzig streckt noch der eine oder andere Grashalm sein Grün in die Luft. Hier wachsen Pilze.

Unter einer Fichte haben sich mehrere Steinpilze versammelt und sogar ein Fliegenpilz strahlt in keckem Rot.

Der Wald wird jetzt dunkler. Die jungen Birken weichen jetzt Eschen und einigen Eichen. Ihre herbstlichen Blätter färben das Licht gelb und rot.

Hier wächst kein Gras mehr sondern nur noch Moos und wir müssen aufpassen, dass wir nicht über die vielen und starken Wurzeln stolpern, die kreuz und quer über den Waldboden kriechen.

Plötzlich stehen wir wieder vor einem Brombeerwall, aber da wir etwas Hellgrünes durch das Blätterdickicht scheinen sehen, fassen wir uns ein Herz und stossen hindurch. Die Brombeerbüsche halten zusammen und versuchen uns zu beissen, aber wir haben Glück:

Bis auf ein paar kleinere Kratzer an den Händen gleiten ihre Dornen an unserem alten Mantel ab.

Unvermittelt stehen wir auf einer Lichtung mitten im Wald. Hier wächst das Gras in dichten Büscheln und im Frühling gibt es hier vielleicht sogar ein paar Blumen.

Beherrscht wird die Lichtung von einer Buche. Sie bildet mit ihren Ästen ein Dach und in ihrer glatten Rinde kann man manche verwachsene Narbe sehen. Ein wenig verdreht sieht sie aus und knorrig, aber sie ist groß und sehr, sehr alt.

Wenn wir jetzt ganz leise sind und uns bemühen, nicht direkt auf den Boden ringsherum schauen sondern unseren Blick eher auf etwas anderes richten – vielleicht auf die Bäume, die die Lichtung umstehen – dann können wir in den Augenwinkeln vielleicht etwas Seltsames durch das Gras huschen sehen. Graue oder braune Schatten, leicht verwischt und sehr winzig.

Mäuse sind das, denken wir, oder vielleicht ein Spatz, aber aus irgendeinem Grund wissen wir es besser.

Es sind die kleinen Leute, nicht größer als ein kleiner Finger. Wenn wir sie uns näher anschauen könnten, würden wir sehen, dass ihre Haut dunkelbraun und faltig ist und sie tragen Kleidung aus Blättern und Federn. Ihr Haar ist meist schwarz und ihre Augen leuchten in hellem Grün.

Sie sind das kleine Volk.

Sie flitzen über den Waldboden und sammeln Eicheln, Nüsse und Samen. Einige tragen Speere aus Holz und jagen nach Mäusen, Käfern und kleinen Vögeln. Ihre Beute schleppen sie bis zu der großen, alten Buche.

Sie müssen sich beeilen, denn der Herbst ist da und auf ihn wird der Winter folgen – eine Zeit, in der der Frost beisst und der Hunger morgens mit einem aufsteht und abends wieder mit einem ins kalte Bett steigt.

Am Fuße der alten Buche, direkt unterhalb einer ihrer Wurzeln gibt es ein Loch, wie das einer Maus. Die alten Frauen des kleinen Volkes bewachen es und hier schlüpfen die Jäger und Sammler hinein.

Wir stellen uns vor, wir könnten ihnen folgen und sind nicht überrascht, dass es in ihrem Nest unter dem Bau zugeht wie in einem Ameisenhaufen:

Die Sammler liefern ihre Fracht bei den Vorratskammern ab, die Jäger bringen die erlegten Tiere zu den Küchen, wo sie ausgenommen und mit Kräutersuden eingerieben werden, damit sie den Winter über nicht verderben.

Es gibt Waffenkammern mit Speeren, große Räume, wo die Kinder sind und von den Müttern und den alten Männern Schlaflieder vorgesungen bekommen. Schamanen in Kleidern aus dem Flaum von Rabenfedern beten und schnitzen magische Zeichen in die Wurzeln des Baumes. Sie schnitzen sehr vorsichtig, denn der Baum ist ihr Freund.

Über alldem liegt ein Summen. Das kleine Volk singt unablässig, wenn es sich unter dem Baum befindet. Es singt Sommerlieder, Winterlieder, Blumenlieder, Kriegslieder, Essenslieder, Angstlieder, Aufstehlieder, Schlaflieder und immer wieder das Lied des Baumes.

Der Baum ist ihre Heimstatt, ihre Burg und ihr Gott.

Er ist der Vater und die Mutter des kleinen Volkes. Solange die alte Buche steht, kann dem kleinen Volk nichts Böses widerfahren.

Wir verlassen nun wieder die Gänge unter den Wurzeln. Draußen am Eingang sind die alten Frauen auf etwas aufmerksam geworden. Etwas Böses liegt in der Luft und sie haben ihre Trommeln aus Eicheln zur Hand genommen, um ihre Söhne und Töchter draußen auf der Lichtung warnen zu können, wenn es nötig sein sollte.

Sie schnuppern und horchen und ihre Augen sind selbst in hohem Alter noch scharf und sie beobachten den Saum der Lichtung auf der Suche nach der Gefahr.

Ist es ein Fuchs? Eine Katze?

Auch wir bemerken, dass etwas nicht stimmt und treten zur Seite. Da wir uns jetzt eh nur noch in unseren Gedanken fortbewegen, brauchen wir die Dornen der Brombeerhecke nicht zu fürchten und gleiten einfach hindurch.

Man kann es hören! Jemand stapft durch den Wald und ist dabei so laut, dass man sogar sein Schnaufen hören kann. Wer auch immer er ist, er ist noch niemals in seinem Leben wirklich leise gewesen.

Langsam schleichen wir uns näher und sehen ein dickes Kind von vielleicht zehn Jahren. Es trägt Funktionskleidung und dicke Gummistiefel. In seiner rechten Hand hält es einen Stock und drischt damit auf die jungen Birken ein.

Die Fichte senkt ihre Äste und die Pilze, auch der giftige Bruder Fliegenpilz, ducken sich angsterfüllt.

Das Kind grunzt laut und läuft dann weiter, tiefer in den Wald hinein.

Wir entfernen uns und freuen uns draußen auf dem Acker über den frischen, klaren Herbstwind, der über die Felder streicht.

Sie hörten den Riesen, lange bevor sie ihn sahen. Sein Stapfen ließ den Waldboden erbeben und sein Atem röchelte laut und schrecklich wie die Todeslaute eines Hirsches.

Das kleine Volk war also vorgewarnt und hatte Wachen aufgestellt. Sie standen rings um den großen Baum und hielten Ausschau nach dem Untier. Am sichersten wäre es natürlich gewesen, wenn das kleine Volk sich ganz unter die Wurzeln des großen Baumes versteckte hätte, denn der große Baum war alt und mächtig und ein Freund des kleinen Volkes. Doch die Winde draußen wurden stärker und kälter und die Blätter des großen Baumes und seiner Brüder wurden langsam gelb.

Die Tiere des Waldes bereiteten sich auf die kalte Zeit vor und auch das kleine Volk musste noch viel Essen sammeln, damit nicht ganz so viele Kinder vor Hunger sterben mussten in diesem Winter.

Hinim stand mit den anderen alten Frauen vor dem Eingang und wartete. Sie hatten alle Trommeln dabei um sie laut zu schlagen, sollte der Riese auftauchen. Auch sollten sie die Jäger und Sammler zählen, wenn diese hinunter unter die Wurzeln gingen.

Das kleine Volk konnte sich nicht erlauben, zu viele Jäger zu verlieren.

Hinims Sohn Humin hatte seinen ersten Jagdsommer glücklich überlebt und nun betete sie zum großen Baum, er würde auch den Herbst überstehen.

Klaus hörte auf zu Rennen, als er sich der Lichtung näherte. Langsam kannte er sich in diesem kleinen Wald ganz gut aus und wenn ihn Vater jeden Morgen hinaus zum Spielen schickte, war er auch nicht mehr so mürrisch und lustlos wie zu Beginn des Playstationverbotes.

Seine dumme, dumme Schwester hatte ihm dieses Verbot eingebrockt und Vater hatte die Playstation in den Wohnzimmerschrank eingeschlossen. Dort sollte sie bis zum Ende der Ferien vollstauben und Klaus durfte nur bei Regenwetter im Haus bleiben.

Klaus hatte nach einem Tag des ziellosen Umherstreifens in der Gegend diesen kleinen Wald entdeckt und er war nach und nach zu seinem täglichen Ziel geworden. Hier hatte er seine Ruhe vor Spaziergängern und anderen Kindern und es gab hier tatsächlich viel zu entdecken. Er warf Steine auf Kaninchen und hatte auch schon mehrere alte Vogelnester aus den Bäumen geholt.

Doch dann hatte er seltsame kleine Tiere durch die Büsche flitzen sehen. Erst hatte er an Ratten oder Mäuse gedacht, aber nie eines der Viecher richtig zu Gesicht bekommen.

Bis er auf den Trick kam.

Wenn man nämlich direkt hinschaute, konnte man absolut nichts erkennen. Es war, als wären die Dinger unsichtbar, aber wenn man an ihnen vorbeisah, also gar nicht richtig hinguckte, dann konnte man sie sehen.

Es waren keine Ratten und auch keine Mäuse oder andere Tiere.

Es waren kleine Leute!

Sie erinnerten ihn an die Kobolde aus einem seiner Lieblingsspiele auf der Playstation. In „Bloodcraft“ musste man die nämlich mit einem Hammer platthauen, um ein magisches Amulett zu bekommen. Das Amulett hatte zwar nur Schutzfaktor 2 – war also Dreck -, aber die Jagd auf diese wimmelnden kleinen Wesen hatte ihm immer großen Spaß gemacht. Man musste sie nur in die Enge treiben und schnell sein.

Klaus war schnell und er hatte einen Plan.

Zu Hause hatte er natürlich nichts von den Kobolden erzählt, denn man würde ihm sowieso nicht glauben.

Also würde er einen von ihnen fangen und ihn allen zeigen.

Klaus wäre der Held der Familie und nach den Ferien wäre er Held der ganzen Schule. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es danach noch zu einem Playstationverbot kommen konnte!

Heute Morgen hatte Klaus beim Frühstück erklärt, er wolle sich ein Brot mitnehmen und sein Sandwich in eine Tupperdose gepackt. Das Brot hatte er gleich draußen in den Straßengraben geworfen, denn es ging ihm natürlich nur um ein Gefäss für seine Beute.

Langsam und vorsichtig näherte er sich der Lichtung, wo es die meisten der Kobolde gab. Sicher hatten die hier ihr Nest!

Eigentlich hätte es der Trommeln nicht bedurft, denn die Tritte des Riesen waren noch stärker als sonst und sie schickten ein Zittern durch die Wurzeln des großen Baumes.

Die Frauen schlugen die Trommeln trotzdem.

Aus allen Richtungen kamen die Jäger und Sammler heran und drängten sich durch den Eingang. Sie trugen Nüsse, Würmer, Wurzeln, Samenkörner, Käfer – alles Nahrung für das kleine Volk. Sie drängten sich hinein in die Dunkelheit und die alten Frauen schlugen die Trommeln und zählten.

Und Hinim suchte in der Menge nach ihrem Sohn.

Die alten Frauen konnten gut zählen und als die Jäger und Sammler drinnen waren wussten alle, dass nur noch ein einziger Jäger fehlte. Sie hörten mit dem Trommeln auf und sahen Hinim traurig an.

Sie wussten, wer noch da draußen war.

Klaus war an der Lichtung angekommen. Überall flitzten und huschten die Kobolde über den Waldboden, doch er war noch zu weit weg, als dass er sie erreichen konnte.

Verdammt!

Er sprang trotzdem mit einem großen Satz auf die Lichtung und schaute hastig hin und her oder besser: Er schaute hastig hin und wieder weg.

Die Kobolde verschwanden alle unter einem großen Baum am Rand der Lichtung. Die Rinde des Baumes war ganz glatt und seine Äste bildeten ein dichtes, knorriges Geflecht.

War das nicht eine Buche?

Er wollte schon gerade zu dem Baum hinlaufen, da entdeckte er doch noch einen der Kobolde, direkt zu seinen Füßen. Was für ein Glück! Schnell bückte er sich und griff nach dem kleinen Wesen.

Der Riese trat auf die Lichtung und mit einem Mal wurde alles dunkler. Die Farbe wich aus dem Wald und die Vögel wurden stumm. Nur noch der Riese war da und seine Füße ließen einen Donner durch das Moos fließen. Die alten Frauen am Eingang schrieen vor Angst auf und flohen ins Innere.

Nur Hinim blieb stehen.

Sie hatte Humin gesehen.

Er war noch mehrere Rattenlängen vom großen Baum entfernt und lief auf die rettende Öffnung zu. In seiner linken Hand hielt er seinen Speer und über der rechten Schulter lag eine junge Maus. Humin hatte eine Maus erlegt!

Die Maus war schwer und deswegen konnte Humin nicht so schnell rennen wie er eigentlich sollte. Hinim rief ihm zu, er solle die Maus loslassen, doch ihr Sohn hörte nicht. Er wollte die Beute nicht zurücklassen.

Mit einem Mal verlangsamte sich Humins Lauf und auch der Riese wurde langsamer. Die Zeit selbst begann sich zu verlangsamen und Hinim war es, als würden sie sich alle nur noch durch zähen Schneckenschleim bewegen.

Der Schatten des Riesen fiel auf Humin und er schaute nach oben. Der Anblick des Ungeheuer war so grauenvoll, dass man es nicht im Ganzen erfassen konnte. Seine Fratze war so weit weg, sie war kaum zu sehen.

Doch das Gesicht kam erschreckend schnell näher. Der Riese beugte sich nach vorne und eine Pranke, groß genug um eine ganze Familie des kleinen Volkes zum umfassen, griff nach Humin.

Der junge Jäger ließ die Maus fallen und packte seinen Speer mit beiden Händen. Als er von den Fingern des Riesen umschlossen und hochgehoben wurde, stach er zu.

Das kleine Dinge fühlte sich lebendig und warm an und zappelte ein wenig. Klaus schmeckte den Sieg und das war noch besser, als er wie damals den Endgegner in Zombie Massaker 3 erledigt hatte!

Er würde berühmt werden! Er würde ins Fernsehen kommen und alle, alle würden ihn bewundern! Selbst Vater und die dumme, dumme Schwester wären stolz auf ihn!

Doch dann fuhr ein stechender Schmerz durch seine Hand. Der Kobold musste ihn gebissen haben!

Nein!

Etwas hatte ihn gestochen!

Blut quoll aus seinem Handballen und Klaus wurde für einen Moment schlecht. Der Kobold hatte ihm einen dünnen Holzsplitter tief ins Fleisch gerammt!

Das Vieh hockte auf seiner Handinnenfläche und hielt sich am Splitter fest.

Klaus war erschrocken und zornig und die Träume vom Fernsehen verschwanden und der stolze Blick seines Vaters wurde wieder abweisend und traurig.

Klaus brauchte jetzt nicht mehr halb wegzusehen, um den Kobold erkennen zu können. Er sah ihn jetzt ganz deutlich: Der dünne, drahtige Körper, die dunkelbraune Haut, die Kleidung aus Blättern und Federn und als das Wesen auch noch zu ihm aufschaute, konnte er den Hass in seinen Augen sehen.

Klaus dachte an seinen Vater und krümmte die Finger seiner rechten Hand und quetschte den Kobold damit ein.

Er spürte, wie die leichten Knochen brachen und das Zappeln hörte auf.

Hinim sank auf die Knie, als sie ihren einzigen Sohn fallen sah, tot und mit verrenkten Gliedern wie die Puppe eines Kindes. Sie wollte etwas tun, sie wollte schreien, loslaufen und auf den Riesen einprügeln, sie wollte irgendetwas tun aber sie konnte nicht. Sie konnte nur auf den Knien dahocken und zusehen, wie ihr Humin auf den Waldboden fiel. Ein Regen von Blutstropfen folgte ihm.

Der Riese starrte noch für einen Moment auf seine blutende Hand und dann entdeckte er Humin vor dem Eingang des großen Baumes. Er schien nur einen Schritt zu brauchen, um den Rest der Lichtung hinter sich zu bringen, doch bevor er über ihr war, zogen viele Hände die alte Frau nach drinnen.

Klaus hatte den zerquetschten Kobold fallen gelassen und war zu der Buche gesprungen, als er den anderen Gnom am Fuße des Baumes sehen konnte. Allerdings war er zu langsam und das Ding verschwand vor seinen Augen und er stieß sich nur böse das Knie am harten Holz.

Das war zu viel für ihn:

Die Schmerzen in seinem Knie und seiner Hand, das Gefühl von Demütigung und ein seltsam schlechtes Gewissen wegen dem toten Kobold entluden sich und er schlug mit seiner unversehrten linken Hand auf den Baumstamm dieser verfluchten Buche ein. Er trat mit den Füssen dagegen und schrie und tobte.

Seine rechte Hand wurde allmählich taub.

Im Erdreich unter den Wurzeln des Baumes fand Hinim ihre Stimme wieder. Sie weinte und klagte laut um ihren Sohn. Stolzer Humin! Eine ganze Maus hatte er erlegt! Eine ganze Maus!

Der Baum bebte unter dem Zorn des Riesen, doch das kleine Volk hatte keine Angst mehr. Der große Baum war ihr Freund und er würde sie beschützen. Niemand würde dem kleinen Volk hier unten etwas antun können – nicht der Fuchs oder der Dachs und auch der Riese nicht.

Das kleine Volk versammelte sich um die weinende Hinim. Sie begannen sie zu streicheln und sie in ihren Armen zu wiegen. Die Jäger sangen ein Trauerlied um ihren gestorbenen Kameraden und würden bald mit den notwendigen Riten beginnen, um einen der ihren zu verabschieden.

Doch vorher brachten sie ihre Speere in die dafür vorgesehene Kammer und einer der ältesten blieb davor stehen, um sie zu bewachen. Niemand außer den Jägern – und besonders die Kinder nicht – durften diese Kammern betreten, denn die Spitzen der Speere waren allesamt vergiftet.

Irgendwann hatte Klaus sich ausgetobt und ihm wurde kalt. Es wurde schon dunkel und er musste bald nach Hause. Als er nachsehen wollte, ob die Wunde an seiner rechten Hand noch blutete, stellte er mit Entsetzen fest, dass sein ganzer rechter Arm ohne jedes Gefühl war. Er konnte ihn weder spüren noch bewegen!

Er musste sofort heim!

Doch er konnte sich nicht erinnern, wo er zuhause war und den Weg wusste er auch nicht mehr. Ihm war ganz entsetzlich kalt und seine ganze rechte Seite war wie tot.

Voller Panik rannte er los.

Er hatte kaum die Lichtung überquert, da knickte sein rechtes Bein unter ihm weg und er fiel der Länge nach auf den Waldboden.