Dienstag, 17.10.2023

Die Nacht

Träume wirr. Irgendwann sind da Zombies, die ich kraft meiner Gedanken durch die Luft wirbele. Als ich aus der U-Bahn-Station raus will und es zu viele Zombies werde, zünde ich sie mit einem Zauber an.

Schönbrunn

Wir fahren mit der U-Bahn zum Schloss Schönbrunn. Die Innenräume sparen wir uns und erkunden die Schlossgärten. Beim Aufstieg zur Gloriette wird mir warm trotz des kalten Windes. Mütter mit Kindern huschen in den Wald. Die Pfade dahin sind schon ganz ausgetreten. Viele Menschen sind hier. Sie reden in vielen Sprachen. Kameras klicken, Smartphones ersetzen die Augen und das Gefühl. Wenigstens ist es hier zu weit oben für die sonst unausweichlichen Instagram-Schönheiten. Früher erzählten wir uns über japanische Touristen den folgenden Witz: „Im Urlaub wird alles gefilmt und zu Hause schauen sie nach, wo sie überhaupt waren.“ Heute nimmt jeder immer alles auf. Petabyte an Daten fließen ins Nirgendwo. Vergessene Bilder in der Cloud.

Wien-Gefühl

Von Schönbrunn aus laufen wir durch Meidling. Normales Wien. Ich spüre das Wien-Gefühl ganz deutlich. Es gibt hier ein Zauberkasten-Museum und das finde ich total niedlich.

Prater

Grüner Prater. Wenige Menschen unterwegs, Herbststimmung. Wir sitzen auf einer Bank. Eine alte Frau fährt auf einem Fahrrad vorbei. Sie summt leise ein Lied. Ein Betrunkener torkelt über die Wiese am großen Spielplatz. Er braucht mehrere Anläufe, um sich auch auf eine Bank zu setzen.

Am Rande des Würstelpraters ist nicht viel los. Aus einer Bar tönt Musik wie aus einem 90er-Jahre-Porno. Der eigentliche Würstelprater hat sich hingegen herausgeputzt und ist modern und familienfreundlich. Auch sind hier ein paar Leute unterwegs. Damals kam er mir sehr verranzt vor. Sinistre Gestalten lungerten vor den Fahrgeschäften herum und versuchten einen, dort hinein zu locken. Im Schweizerhaus ließ man sich als Tourist ordentlich bescheißen, denn so war es Sitte und Brauch. Heute ist das wohl anders. Da wir noch satt von der Käsekrainer (ich trank ein Kracherl dazu) am Ernst-Happel-Stadion sind, verzichten wir auf Haxe mit Kruste.

Abend

Gegen halb acht Uhr höre ich D. aus seinem Zimmer leise schnorcheln. Ich schleiche zum Kühlschrank und hole mir noch eine Dose ,,Karlskrone Alkoholfrei“ (schmeckt ganz ordentlich). Mich verwirrt noch immer, dass man hier in Österreich leere Einweg-Getränkebehälter ja einfach in den Müll werfen kann. Ich genieße es, auf dem Sofa zu liegen und mal wieder durch die RSS-Feeds zu gehen. Tatsächlich habe ich die eine oder den anderen Blogger ein bisschen vermisst.

Emotionen

Emotional ist diese Reise schön und traurig zugleich, denn hier in Wien habe ich vor 25 Jahren gemeinsam mit der besten Liebsten von allen ein Praktikum bei den Wiener Städtischen Büchereien absolviert. Aus der Liebsten wurde später meine Ehefrau, die Mutter unseres Sohnes und jetzt kennt Ihr sie hier als die beste Ex-Frau von allen. Wir lebten für 2-3 Monate hier und die Erlebnisse hier waren ein fester Teil unserer Beziehung. Häufig erinnerten wir uns an dieses oder jenes Detail zurück und ich denke, die gemeinsame Zeit hier hat uns zusammengeschweißt.

Nun sehe ich das moderne Wien, hinter dem sich das alte Wien verbirgt. So ist es wohl schon immer in dieser Stadt gewesen. Viele der Erinnerungen bestehen nur aus einem Gefühl und dieses Gefühl ist schön und unendlich traurig zugleich. Damals waren wir noch so jung (ich gerade 24) und konnten uns überhaupt nicht vorstellen, was das Leben noch so für uns bereithalten würde. Eine der schönsten Überraschungen war natürlich unser Sohn, auf den wir sehr stolz sind.

Meinen alten Freund D. gegenüber lasse ich es mir nicht anmerken, wenn mal wieder so ein Gefühl meine Brust und meinen Hals eng machen. Er ist so fröhlich und begeistert von der Stadt, dass ich es ihm nicht verderben möchte. Ich weine dann abends, wenn ich im Bett liege. Ich weine um die wegen mir gescheiterte Beziehung und darüber, dass die vielen Hoffnungen der zwei jungen, naiven Menschen aus Deutschland damals nun am Ende doch enttäuscht worden sind.

Gleichzeitig bin ich auch der fast fünfzigjährige Mann mit seiner Geschichte, der versucht, im Hier und Jetzt zu leben. Der junge und der alte Mann sind gleichzeitig da. Die emotionale Rückschau lässt in mir die Frage aufsteigen, was denn wohl noch für Überraschungen auf mich warten werden. Eine Frage, die ich mir seit vielen Jahren nicht mehr gestellt habe. Seit der Depression von 2017 habe ich mein Leben eigentlich nur noch mehr oder weniger verwaltet und vor allen Dingen seit der Trennung ein Jahr später habe ich überhaupt nichts mehr erwartet, außer dass es irgendwann vorbei sein würde.

Irgendwie scheint sich da etwas verändert zu haben.